Der Schausteller Norbert Witte gibt sich mit Mittelmaß nicht zufrieden gibt. 1990 übernahm der Hamburger den maroden DDR-Vergnügungspark im Berliner Plänterwald, den er zum größten Rummelplatz in Deutschland aufbauen wollte. Doch schon 2001 musste Witte für den
Spreepark Insolvenz anmelden. Der Geschäftsmann setzte sich samt Familie und mit einem Großteil der Karusselle und anderer Fahrgeschäfte nach Peru ab. Seine Flucht brachte ihn in die bundesweiten Schlagzeilen, ihm wurde Betrug in Millionenhöhe vorgeworfen. 2003 scheiterte sein Versuch, sich in Lima als Schausteller zu etablieren. Witte ließ sich als Drogenkurier anheuern, doch der Deal flog auf. Der herzkranke Witte wurde in Deutschland, sein Sohn Marcel in Peru verhaftet, wo dieser zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt wurde, während sein Vater sieben Jahre im Berliner offenen Vollzug absitzen muss.
In seinem eher essayistischen Dokumentarfilm geht es Peter Dörfler weniger um den Skandal als vielmehr um den dramatischen Aufstieg und Fall des einstigen Schaustellerkönigs. Ein Jahr lang hat der Filmemacher Familie Witte, die in
Achterbahn vor allem zu Wort kommt, mit der Kamera begleitet. Er ist mit Norbert Witte in die Strafanstalt oder mit Frau und Tochter nach Peru gefahren. Aussagen und Bilder sprechen ohne Off-Kommentar für sich. Der Film, mit emotionaler
Musik unterlegt, ist somit ein Porträt des charismatischen Hochstaplers Witte als auch seiner Familie, die bis zur Verhaftung des Sohnes immer zusammenhielt. Viele Archivaufnahmen und Privatfotos ergänzen die Aussagen der Protagonisten/innen.
Im Unterricht bietet
Achterbahn eine Grundlage, um vor allem ethische und moralische Fragen zu diskutieren: Wenngleich der Film nicht anklagt, erscheint Norbert Witte doch als vom Erfolg Getriebener, als Hochstapler, der bedingungslos seine Ziele verfolgte und in seiner Not auch vor kriminellen Handlungen nicht zurückschreckte. Hier kann nach persönlicher Schuld gefragt, aber auch die Rolle der Familie reflektiert werden, die ihn wiederholt stützt. Interessant ist auch die Diskrepanz zwischen Wittes Selbstwahrnehmung und den Tatsachen. Wie erklärt Witte seine Handlungen und Motive? Der Film zeichnet darüber hinaus ein präzises Porträt des Milieus, womit die Romantik des Schaustellerlebens gründlich entzaubert wird. Nicht zuletzt lässt sich
Achterbahn auch in Hinblick auf die Nachwendezeit und die damalige wirtschaftliche Entwicklung, die durch Sanierung maroder Betriebe, aber auch neues Goldgräbertum dank staatlicher Hilfen beschrieben werden kann, betrachten.
Autor/in: Ingrid Beerbaum, 01.07.2009
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