Die neunjährige Mathilde lebt bei ihrer allein erziehenden Mutter isoliert in ihrer eigenen kleinen Welt. Sie hängt sehr an ihrem Großvater Paul, einem ehemaligen Buchhändler, der nach einer Herzoperation in einem Pariser Pflegeheim untergebracht ist. Als Mathilde durch Zufall einen sorgfältig versteckten Stapel Briefe findet, erfährt sie, dass ihre angeblich bereits vor vielen Jahren verstorbene Großmutter noch lebt und Mathilde von den Erwachsenen belogen wurde. Alleine macht sie sich auf den Weg ins Altersheim, um ihren verdutzten Großvater zu überreden, gemeinsam seine geschiedene Frau im Süden Frankreichs zu besuchen. Diese war damals mit Pauls bestem Freund durchgebrannt und hat ihren Ehemann mit dem gemeinsamen Kind, Mathildes Mutter, sitzen gelassen, was Paul ihr nie verziehen hat. Noch in derselben Nacht bricht er mit seiner Enkelin auf, um ein Stück Wiedergutmachung für das kleine Mädchen zu leisten. Mathildes Mutter reist den beiden nach, als sie die versteckten Briefe findet, und setzt am Ende ohne ihren Vater die Reise mit der Tochter fort.
In atmosphärisch dichten Bildern erzählt der spanische Regisseur Safy Nebou eine Reise in ein unbekanntes Terrain, das über drei Generationen hinweg zur Auseinandersetzung mit wohl gehüteten Familiengeheimnissen wird. Mathilde mit ihrer seltenen Mischung aus kindlicher Unschuld und geistiger Reife und ihrer unerschütterlichen Suche nach der Wahrheit bringt den Stein ins Rollen. Die Initiative des Kindes verändert auch das Leben der Mutter. Diese muss sich nun mit der lange vermissten und verdrängten eigenen Vergangenheit auseinandersetzen und eine neue Basis in der Beziehung zu ihrem Vater Paul finden. Seinen seltsamen Titel bezieht der Film aus dem Namen der einst von Paul und Madeleine geführten Buchhandlung. Pauls Vater hatte das Lesen immer so überflüssig empfunden wie den langen Hals einer Giraffe, eine Meinung, die der Film allein schon dadurch ad absurdum führt, dass ausgerechnet die Lektüre von Briefen zum Auslöser für die Versöhnung mit der Vergangenheit und damit zur Chance für eine bessere Zukunft wird.
Autor/in: Holger Twele, 18.10.2006