Die Geschichte ist bekannt: Der angesehene Kaufmann Antonio leiht sich Geld vom Juden Shylock, um seinem Freund Bassanio finanziell das Werben um die zukünftige Ehefrau zu ermöglichen. Als seine Geschäfte schlecht gehen, kennt Shylock kein Pardon und fordert ihn ultimativ auf, die Schulden zu begleichen oder den Vertrag zu erfüllen: indem er mit einem Pfund Fleisch aus Antonios Brust bezahlt. In einer spektakulären Gerichtsverhandlung sorgt ein unversehens auftauchender junger Doktor der Jurisprudenz samt Gehilfe für Antonios Rettung und Shylocks Verdammung. – Michael Radford macht aus dem Shakespeare-Klassiker opulentes Kino von erzählerischer Wucht. Geschickt balanciert er zwischen Tragödie, Romanze und Komödie, zwischen harten Worten und zartem Liebesgeflüster, Intoleranz, Eifersucht und venezianischer Liberalität. Dabei legt er den Finger auf die Wunde, prangert Diskriminierung, Vorurteile und Rachegelüste an. Auch wenn es um Antisemitismus geht, sei der Film in keiner Weise antisemitisch, betont der Regisseur, der auch die hässlichen Seiten der damaligen Zeit zeigt, die Juden in Ghettos zwang und von "ehrenwerten" Berufen ausschloss. Shylock allerdings wirkt streckenweise als Inkarnation des Bösen, bevor er zur nach Mitleid heischenden Figur mutiert. Der Film bleibt trotz einiger Auslassungen der Sprache Shakespeares treu. Allein die Besetzung mit Al Pacino und Jeremy Irons, die gegeneinander in originalgetreu nachgebauten Kulissen in Venedig antreten, erhöht den Reiz dieses zeitlosen Stücks aus dem 16. Jahrhundert.
Autor/in: Margret Köhler, 01.04.2005