Als wir träumten begleitet eine Clique junger Leipziger durch die aufregenden Nachwendejahre: Der übermächtige Staat, der eben noch in alle Lebensbereiche hineinregierte, war fast über Nacht verschwunden und hinterließ ratlose Menschen und rechtsfreie Räume. Für die die 15-jährigen Freunde Dani, Mark, Rico, Pitbull und Paul sind es rauschhafte Jahre des Erwachsenwerdens. Sie eröffnen als "jüngste Diskobesitzer der Geschichte" den Technoclub Eastside. Doch sowohl Drogenkonsum wie auch die Konfrontation mit Nazis zerstören den Traum von ihrem Refugium der Selbstbestimmung.
Der Film ist ein echtes Mehrgenerationenprojekt – und möglicherweise liegt darin auch der Grund für seine zentrale Schwäche: Vorlage ist der gleichnamige Bestseller von Clemens Meyer (geb. 1977), der die Zeit der illegalen Clubs und wilden Partys in Leipzig erlebt hat. Regisseur Andreas Dresen (geb. 1963) gehört zum Wendejahrgang der DDR-Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg und hat die sozialen und psychischen Erschütterungen des Systemwechsels schon mit dem analytischen Blick des Filmemachers begleitet. Das
Drehbuch stammt von dem legendären Wolfgang Kohlhaase (geb. 1931), der in der Vergangenheit einige Filme mit Dresen geschrieben hat. Schon seine drei zusammen mit Gerhard Klein zwischen 1956 und 1965 realisierten "Berlin-Filme" handeln von Jugendlichen auf der Suche nach ihrem Platz in der Gesellschaft. Im Ergebnis kommen sich die verschiedenen Stile und Weltsichten allerdings störend in die Quere. Die Erzähldramaturgie von Dresen/Kohlhaase passt nur bedingt zu dem beatgetriebenen flow, den Meyer entwirft, so dass der erzählte Rausch in einer etwas angestrengten motivischen Revue ausläuft.
Als wir träumten, Trailer (© Pandorafilm)
Der Film illustriert die im Deutschland der frühen 90er-Jahre noch junge Techno-Szene. Somit könnte die Entstehung der Musikrichtung näher beleuchtet werden. Im Deutsch-Unterricht bietet sich der Vergleich der literarischen Vorlage mit der filmischen Adaption an. Während der Erzähler Dani im eingesprochenen Kommentar den historisch speziellen Moment der Freiheit als "die schönste Zeit unseres Lebens" verteidigt, berichtet der Film auch von den Verheerungen, die der Verlust aller Regeln, Normen und Werte mit sich bringt. Wenn das gesamte gesellschaftliche Korsett sich plötzlich auflöst und die Elterngeneration mit der Kontrolle über das eigene Leben auch jede Autorität verloren hat, fehlt der jugendlichen Rebellion die Richtung. Diese Themen können sowohl im Ethik- wie auch Geschichtsunterricht problematisiert werden. Der Film setzt diesen Verlust in sanft ironischen Rückblenden, die in sattesten Farben die Kindheit in der DDR zeigen, als eine Art sozialistisches Bullerbü zwischen Plattenbauten und Pionierlager um.
Autor/in: Stella Donata Haag, 26.02.2015
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