Hintergrund
"Spaß" an Gewalt – Skinheads, eine eigene Jugendkultur
Szenenfoto aus dem Film "Oi! Warning"
Schweiß, nackte Haut, muskulöse Oberkörper, fliegende Fäuste, kahl geschorene Köpfe – junge Männer und ihr Kult um ihre Männlichkeit:
Oi! Warning – dieser Film erklärt nichts, beschönigt nichts, benennt keine Ursachen. Kein Zeigefinger stört den Ablauf der Handlung und schon gar keine politische Nutzanwendung. Es geht um Skinheads, genauer "Oi-Skins". Skinheads, sind das nicht diejenigen, die Hakenkreuze auf Wände schmieren, Grabsteine auf jüdischen Friedhöfen umstoßen und Ausländer angreifen? – Alles das tun sie in diesem Film nicht. Wird hier verharmlost?
Typische Skinheads?
Gabriele Rohmann ("Spaßkultur im Widerspruch. Skinheads in Berlin", Archiv der Jugendkulturen 1999) hat sich intensiv mit den nicht-rechten Skinheads auseinander gesetzt, den Oi!-Skins, den Sharp- und den Red-Skins (siehe Anhang). "Der typische Skinhead ist weder ein deklassiertes Kind des Arbeitermilieus noch ein aufsässiger, den Bürgerschreck spielender Privilegierten-Jugendlicher aus gutbürgerlichem Elternhaus." Den typischen Skinhead gebe es daher ebenso wenig wie eine einheitliche Skinheadkultur. Doch so unterschiedlich die Szenen auch sein mögen, offenbar verbindet sie "Spaß" am Trinken, Musik und Party-Feiern – und eine "latente Gewaltbereitschaft".
Gewalt als "Aufbaustoff"
"Gewalt spielt in den rechtsextrem-orientierten jugendlichen Milieus eine besondere Rolle", erklärt auch Bernd Wagner vom Zentrum Demokratische Kultur und Toleranz in Berlin. Gewalt – das sei ein integrierendes Moment und "Aufbaustoff" für das individuelle Ich dieser jungen Männer. Für die einen sei sie Ausdruck ihres aggressionsgeladenen Charakters, den anderen verheiße sie Schutz durch Teilhabe an der Macht, wieder anderen gebe sie die Illusion von Persönlichkeit und Allmacht, was ein idealer Nährboden für ‘Führernaturen’ sei.
Eskalation von Gewalt
Drohung und Gewaltanwendung sind die von Rechtsextremisten am häufigsten gebrauchten Instrumente zur geplanten, methodischen Bekämpfung von ‘Feinden’. Sie besetzen Jugendhäuser, Marktplätze oder Tankstellen, bezeichnen sie als ‘national-befreite Zonen’ und bestimmen, wer sie betreten darf. "In der Szene herrscht ständig eine künstlich hoch gehaltene Alarmstimmung", sagt Wagner, "um den Pegel an Gewaltbereitschaft hoch zu halten." Die aggressive Musik, der dauernde Alkoholgenuss tun ein Übriges, was so genannte ‘Spontantaten’ ohne längeres Vorspiel erklärt.
Jugendkult oder brauner Sumpf?
Beobachter der Szene warnten bereits vor diesem Sommer der Gewalt, dass die Politisierung der Skinheads zugenommen habe. Grund seien unter anderem die vielen öffentlichen Diskussionen, in denen die zahlreichen Asylbewerber und Zuwanderer als Gefährdung von Wohlstand und innerer Stabilität erschienen. Bewusstseinsprägend wirkten auch die Musikgruppen, in Deutschland vor allem die Gruppen "Noie Werte", "Volkszorn", "Endsieg", "Störkraft". Dabei weisen die Texte der selbst produzierten Musikkassetten deutlichere rechtsextremistische Bezüge auf, als die der offiziellen LPs und CDs. Viele Tonaufnahmen sind meist nicht in regulären Plattenläden erhältlich; sie werden häufig nur innerhalb der Szene über den Versandhandel vertrieben oder kopiert.
Schauspieler Simon Goertz in der Rolle des Skinhead Koma aus dem Film "Oi! Warning"
Außenseiter
Aber wann fängt der Skinheadkult an, politisch bzw. rechtsextremistisch zu werden? Die Forscherin Gabriele Rohmann hat darauf keine eindeutige Antwort. Der Kult, den die Szene treibt, sei die "stigmatisierteste Jugendkultur" überhaupt: "Der Skinhead-Stil ist einer der wenigen Kleidungsstile, die die Mode-Industrie bis heute nicht vermarktet hat ... Gerade das Stigma der rohen Gewalt hat es verhindert, den Skinhead-Stil zur Mode zu erheben." Selbst bei rechtsextremistischen Zeichen und Symbolen lässt sich die Grenze zwischen Rechtsextremismus und reiner Provokation nicht eindeutig ziehen. Und wenn etwas provokant wirkt in dieser Gesellschaft, dann sind es Hakenkreuz und antisemitische Parolen. Hier treffen sich zwei Subkulturen – die Skinhead-Szene und die Rechtsextremisten. Beide hängen sie dem "weißen" Männlichkeitskult an, beide befürworten sie Gewalt und wer sich einer dieser Szenen anschließt, weiß, dass er sich selbst zum Außenseiter macht.
Autor/in: Volker Thomas, 21.09.2006