Das Interview führte Margret Köhler.
Gibt es eine Gemeinsamkeit zwischen Ihnen und der "roten" Nele, einer früheren militanten Hausbesetzerin, die jetzt ein ganz normales Leben als allein erziehende Mutter führt und von ihrer Vergangenheit eingeholt wird, plötzlich wieder die Lust auf Widerstand in sich spürt?
Nele hat in ihrer Jugend ihre Ideale mit illegalen Mitteln vertreten und konsequent gelebt. Natürlich war ich nicht so radikal, aber zumindest kenne ich das Hausbesetzermilieu Anfang der 90er Jahre in Leipzig, was vielleicht nicht vergleichbar mit Kreuzberg ist. Ich bin damals während des Studiums von Zuhause ausgezogen. Wir haben Wohnungen aus Not besetzt, weniger aus politischen Gründen. Aber ich konnte aus meinen bescheidenen Erfahrungen schöpfen. Die Straßenschlacht am Anfang auf Super 8 erinnerte mich an unsere Auseinandersetzungen mit der Polizei, die ich sehr bedrohlich fand, vor allem diese Stille vor der Konfrontation. Die Figuren im Film sind wunderbar gezeichnet, ihre Haltung nachvollziehbar. Das halte ich für wichtiger, als selbst die Zeit aktiv durchlebt zu haben.
Und was mochten Sie an der Figur?
Ihre Zerrissenheit, die manchmal in Pseudomoral kippte, ihre Zerbrechlichkeit. Sie ist allerdings nicht das Engelchen, für das man sie anfangs hält. Wenn sie so krampfhaft versuchte, ihre Ideale zu vertreten, fand ich sie sympathisch und liebenswert. Sie wird vom Alltag aufgefressen und träumt dennoch manchmal von vergangenen Utopien.
Was sind Ihre Träume und Ideale?
Ich möchte mir meine Offenheit bewahren, auf Menschen zugehen können, möchte, dass ich zu meinen Entscheidungen stehen, sie aber auch revidieren kann, wenn sie sich als falsch herausstellen. Zu viel Offenheit macht jedoch verletzbar, das habe ich inzwischen gelernt. Es mag komisch klingen, aber ich möchte an etwas Positives glauben, auch wenn die Umstände dagegen sprechen. Das kann ganz schön hart sein. Manchmal tun Dinge im Leben weh, das gehört dazu. Vor allem will ich mir selbst treu bleiben.
Sind Sie ein politischer Mensch?
Ich vertrete politische Standpunkte, im Film geht es um ganz andere Tendenzen und Motivationen. Es ärgert mich beispielsweise, wenn eine Demonstration von Rechtsradikalen genehmigt wird und man darauf sagt: Lass' uns eine Gegendemo machen! Aber das ist eben Demokratie. Ich erlaube mir auch Ratlosigkeit, es wäre vermessen zu glauben, über alles Bescheid zu wissen. Eine Auseinandersetzung mit Problemen halte ich für sinnvoller, als Steine zu schmeißen.
Die meisten der Protagonisten in Was tun, wenn's brennt? haben sich angepasst. Steckt diese Art von Pragmatismus in jedem von uns?
Gerade dieser Pragmatismus hat dazu geführt, dass die Protagonisten wieder richtig aufleben, als sie mit den Idealen und Mitstreitern von einst konfrontiert werden. Sie haben ihre Utopien nicht aufgegeben, der Film zeigt doch auch die Möglichkeit, dass Menschen sich irren können, in einer Sackgasse landen, aus der sie wieder rauswollen. Realistisch gesehen haben sie ihre Ideale nicht immer mit den richtigen Mitteln vertreten und es nicht geschafft, die Welt zu verändern. Eine Idee hat sich verbraucht, aber die Gemeinsamkeit ist geblieben. Keiner von ihnen hat den goldenen Mittelweg geschafft.
Was halten Sie vom Mittelweg?
Ich verdiene inzwischen auch ganz bürgerlich mein Geld und die Vorstellung, in einem besetzten Haus ohne Heizung zu wohnen, reizt mich nicht mehr. Dennoch versuche ich, den Kontakt zu den Freunden von damals nicht abbrechen zu lassen. Irgendwie interessiert es mich, zu wissen, welchen Weg sie eingeschlagen haben und gehen.
Wie lief die Zusammenarbeit als Schauspieler-Ensemble?
Wie die Helden waren auch wir alles Individualisten. Der Wunsch, einen guten Film zu machen, verband uns, niemand pochte auf irgendwelche Privilegien.

Nadja Uhl (in "Die Stille nach dem Schuss")
Sie werden als Schauspielerin hoch gehandelt. Was hat sich für Sie nach dem "Silbernen Bären" für Ihre Darstellung in Die Stille nach dem Schuss geändert?
Die Qualität der Angebote, ich bekomme jetzt bessere Drehbücher zugeschickt. Über die Auszeichnung habe ich mich gefreut, ich kann jetzt wunderbare Filme drehen. Ich definiere mich über meine Arbeit und wie jeder Mensch benötige ich Anerkennung.