Das Interview führte Margret Köhler.
Was war Ihre Aufgabe als Künstlerischer Produzent?
Ich habe den Regisseuren das Projekt vorgeschlagen. Am Anfang stand eine Liste mit 35 Namen. Einige brauchten Bedenkzeit – Zum Teil mal zwei Monate bis zur endgültigen Zusage. Dann folgten intensive Gespräche. Es war ein großes Engagement und eine große Ernsthaftigkeit zu spüren. Ich habe das Drehbuchschreiben begleitet und war auch oft bei den Dreharbeiten dabei, nicht um zu kontrollieren, sondern um das Entstehen mitzuerleben. Am Ende musste ich eine Architektur finden, um die einzelnen Episoden in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen.
Und die Kommunikation zwischen den Regisseuren?
Nach der Projekt-Ankündigung in Cannes 2001 bat ich die Beteiligten, nicht untereinander über ihre Idee zu sprechen. Jeder sollte unbeeinflusst seine persönliche Vision realisieren. Sie haben sich daran gehalten. Es gab keine ästhetischen oder inhaltlichen Vorgaben. Jedes Drehbuch sollte den Blick auf die Ereignisse des 11. September und die Folgen richten, Ähnlichkeiten zwischen den Beiträgen sollten vermieden werden. Vorgegeben war auch die Länge von 11 Minuten, 9 Sekunden und 1 Filmbild. Ich bin stolz auf das Resultat.
11'09''01 spiegelt den Blickwinkel verschiedener Kulturen wider und eröffnet einen neuen Zugang zur Thematik.
Was war Ihre Motivation für dieses Projekt?
Ich habe die Bilder damals mit Entsetzen verfolgt, mit Angst vor den Konsequenzen. Amerika war in seinen Grundfesten erschüttert, man wusste nicht, wie diese Weltmacht reagieren würde. Als ich dann Aufnahmen von feiernden Jugendlichen in arabischen Ländern sah, habe ich mir gesagt, ich muss etwas tun. Ich wollte einen Kinofilm mit verschiedenen Perspektiven auf den Weg bringen.
Glauben Sie, dass uns dieser Anschlag zum Nachdenken gebracht hat oder ist die Wirkung schon wieder verpufft?
Ich hoffe, dass der Film nicht nur für eine neue Reflexion über das traurige Ereignis sorgt, sondern über die Gegenwart hinaus auch in die Zukunft verweist. Er ist vielleicht nur wie ein Tropfen in einem Ozean, aber immerhin ein Versuch. Eigentlich dürfte die Welt nicht mehr so sein wie vorher, sie muss sich ändern, aber die Menschen verfallen nach der ersten Aufregung wieder schnell in einen geistigen Schlendrian.
Müssen wir mit dem Terrorismus leben?
Terrorismus ist für mich überhaupt das Schlimmste, nämlich Feigheit. Es gibt andere Mittel, Konflikte zu lösen. Wir dürfen nicht den Fehler begehen, unser Augenmerk nur auf einzelne Terroristen zu lenken und dabei den Staatsterrorismus in einigen Ländern vergessen. Es fehlt an rationalem Denken, ich halte es für Wahnsinn, Kriege zu entfesseln und den Weltpolizisten zu spielen. Statt langfristig für Frieden zu sorgen, zündeln Politiker und blasen das Feuer noch an.
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, der Film sei antiamerikanisch?
Er ist nicht antiamerikanisch, sondern kritisch. Wir dürfen die Verantwortung nicht immer anderen aufbürden, sondern sind selbst verantwortlich, wir wählen unsere Regierungen schließlich. Das Kino muss sich künstlerische Freiheit bewahren. Wird die angegriffen, ist etwas faul.
Könnte die Episode von Sean Penn nicht missverständlich interpretiert werden?
Ich liebe seinen Beitrag, das ist für mich ein Film über Wiedergeburt, über Neuanfang. Jeder findet sein adäquates Mittel, seine Gefühle auszudrücken. Penn zeigt im letzten Bild, in dem die Blume aufblüht, doch ein Stück Hoffnung nach der Finsternis.
Für Diskussionsstoff sorgt auch Ken Loachs Blick auf den 11. September 1973, den Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Allende in Chile.
Eine geniale Idee mit einer pädagogischen Wirkung. Bei den vielen Diskussionen über den Film traf ich oft auf junge Leute, die nichts über Allende oder der Militärjunta in Chile wussten. Sie dachten, das sei reine Fiktion. So ist der Film
11'09''01 auch eine Art Geschichtsunterricht.