Hintergrund
Das Modell der Fläming-Grundschule
Das Schulgebäude an der Illstraße
Die 1875 gegründete Volksschule im Berliner Außenbezirk Friedenau erhielt 1956 ihren jetzigen Namen "Fläming-Grundschule", benannt nach einem zu jener Zeit für die Westberliner nicht mehr erreichbaren Naherholungsgebiet in der ehemaligen DDR. Die Schule zog 1973 in ein neu errichtetes Schulgebäude an der Illstraße in Berlin-Schöneberg um. Auf Betreiben der Elterninitiative des Kinderhauses Friedenau wurde 1975 zum ersten Mal eine Vorklasse mit drei körperbehinderten und zwölf nichtkörperbehinderten Kindern eingerichtet . Die Schule ist damit die älteste Integrationsschule Deutschlands. Zum Schuljahr 1997/98 erhielt sie als erste Berliner Grundschule die Anerkennung als "Schule besonderer pädagogischer Prägung". Sie verfügt über etwa 50 Lehrkräfte und zwanzig pädagogische Mitarbeiter/innen.
Die Fläming-Klassen
Heute werden behinderte Schüler/innen in allen vier Parallelklassen der Fläming-Grundschule gemeinsam unterrichtet. In den d-Klassen, den so genannten Fläming-Klassen, sind durchschnittlich 15 bis 18 Schüler/innen, darunter bis zu fünf mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Diese Klassen werden jeweils von zusätzlich mindestens zwei Pädagogen/innen betreut. Unter den Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind alle Behinderungsarten vertreten: lernbehinderte, verhaltensauffällige, körper- und sinnesgeschädigte, geistig behinderte sowie mehrfach behinderte Schüler/innen. In den letzten Jahren hat sich die Schule darüber hinaus der Integration von schwer erkrankten Kindern angenommen, was auch bedeutet, dass sich die Klassengemeinschaft mit der Thematik des Sterbens auseinander setzen muss.
Binnendifferenzierter Unterricht
Um den vielfältigen Bedürfnissen und Fähigkeiten der Schüler/innen Rechnung zu tragen, wird der Unterricht in den Integrationsklassen so geführt, dass möglichst jedes Kind auf seinem Niveau teilnehmen kann. Welche Form der Förderung ein Kind erhält, egal ob behindert oder nicht behindert, wird in Klassenstufenkonferenzen geklärt. Teilnehmende dieses Gremiums sind alle Lehrer/innen, die in einer Jahrgangsstufe unterrichten, zwei Mitarbeiter/innen des Schulpsychologischen Dienstes, ein Sonderpädagoge, der die Kind-Umfeld-Diagnosen für die Schüler/innen mit Förderbedarf der Schule erstellt, eine Sprachheilpädagogin und die Schulleiterin. Zur Philosophie der Fläming-Grundschule gehört, dass Konflikte als Bestandteil des täglichen Alltags anerkannt und kreative Problemlösungsstrategien entwickelt werden, um alle Beteiligten zu entlasten.
Fortführung der Klassengemeinschaft
Die Fläming-Grundschule ist bestrebt, dass die jeweiligen Klassengemeinschaften erhalten bleiben, auch wenn die Kinder von der Grundschule in eine weiterführende Schule kommen. In der Nähe ihres Einzugsgebietes liegt beispielsweise die Sophie Scholl-Gesamtschule. 60 bis 90 Prozent einer Klasse gehen später gemeinsam auf eine solche weiterführende Schule, einschließlich der behinderten Kinder. Die Schere zwischen den behinderten und nichtbehinderten Kindern geht dann allerdings weiter auseinander. Doch die regelmäßigen Kontakte, die geringeren Berührungsängste untereinander und die gegenseitige Toleranz und Akzeptanz bleiben.
Autor/in: Holger Twele, 01.09.2005