
David Assmann, Ayat Najafi
Ayat Najafi wurde 1978 in Teheran geboren, wo er auch Bühnenbild und Set-Design studierte. Er lebt im Iran und ist unter anderem als Regisseur, Autor und Schauspieler für das Theater tätig. David Assmann, ebenfalls Jahrgang 1978, studiert Mediendramaturgie an der Universität Mainz und arbeitet als Hörfunkredakteur und Moderator.
Football under cover ist ihr erster langer Dokumentarfilm.
Football under cover ist ein dramaturgisch ausbalancierter Dokumentarfilm. Haben Sie bestimmte Szenen inszeniert?
Assmann: Der Film soll Spielfilmkriterien erfüllen, doch inszeniert ist nichts. Da wir nicht wussten, was geschehen würde, war unser Motto: So viel draufhalten wie möglich. Rund 150 Stunden Material haben wir gedreht. Anderthalb Jahre hat es gedauert, daraus den Film zu formen. Durch den Schnitt, durch die Auswahl erhält der Film sein Gepräge.
Was hat Sie bei den Dreharbeiten im Iran überrascht?
Najafi: Frauenfußball hat im Iran eine sehr viel längere Geschichte als etwa in Deutschland, wo Frauenfußball noch verboten war, als dort schon längst die Mütter unserer Protagonistinnen kickten. Erstaunt hat uns die Offenheit der Frauen vor der Kamera. Die Gelegenheit, sich zu äußern, haben sie genutzt.
Wie haben Sie den Alltag in einem "Gottesstaat" empfunden?
Najafi: Die Religion funktioniert als alltäglicher Faschismus, dem sich nichts und niemand entziehen kann. Alle persönlichen Beziehungen im Iran unterstehen der staatlichen Kontrolle. Sexuelle Vorlieben wie Homosexualität beispielsweise darf es einfach nicht geben. Wir haben nicht nur ein politisches Problem zu lösen – unser Problem liegt auch im Privaten, denn selbst dort gibt es zu wenige Fluchtmöglichkeiten.
Assmann: Wir wollten keinen Film über Staat und Religion drehen. Uns hat interessiert: Wie wirkt sich das System auf das Privatleben der Menschen aus, welche Umwege oder Auswege suchen sie?
Die westliche Wahrnehmung iranischer Frauen ist von Unterdrückung geprägt. Inwiefern entspricht dies Ihren Erfahrungen?
Assmann: Der Kontrast zwischen privatem und öffentlichem Leben ist krass. In den heißen Sommern, die Temperaturen können bis auf 50 Grad klettern, halten sich alle lässig bekleidet zu Hause auf. Betritt eine Frau aber die Straße, muss sie der Kleidernorm folgen.
Najafi: Wenn ein Mädchen ohne Kopftuch auf die Straße geht, wird sie zunächst ermahnt und bekommt eine Verwarnung. Zeigt sie sich noch einmal ohne Kopfbedeckung, leistet die Polizei Überzeugungsarbeit. Hilft auch das nicht, kommt sie vor Gericht. Die Sittenwächter sind überall.
Welche Freiräume bleiben den Frauen?
Najafi: Frauen sind sehr präsent, für mich sind sie nicht wegzudenken aus den Schulen, den Universitäten oder dem Theater. Privat geht es darum, Schlupflöcher zu finden, immer neue Wege, um sich frei zu fühlen. Ich bin sehr liberal aufgewachsen, in einer Künstlerfamilie, bei uns herrscht zwischen Männern und Frauen Gleichberechtigung – im Privatleben. Klar, es ist nicht einfach, ein Mädchen zu sein. Aber meine jüngere Schwester arbeitet als Filmmusikerin, sie hat viele Aufträge.
Der Film darf im Iran nicht öffentlich gezeigt werden. Müssen die Protagonistinnen mit Repressionen rechnen?
Assmann: Es lässt sich nicht vermeiden, dass dem Regime Nahestehende den Film sehen werden. Rechtlich gesehen ist es so, dass wir als Regisseure für die Inhalte verantwortlich sind, für die Protagonistinnen sind rein theoretisch keine Konsequenzen zu befürchten. Ob das tatsächlich auch so sein wird, hoffen wir natürlich sehr.
Najafi: Eine unserer Protagonistinnen, Nilofaar, ist sehr offen und mutig. Sicher, da ist die Gefahr, dass sie sich mit ihrer betonten Unabhängigkeit die Chancen auf eine "erfolgreiche" Zukunft verbaut.
Assmann: Für Nilofaar war es kein Problem, dass wir sie zu Hause ohne Kopftuch gefilmt haben – einer der Gründe, warum der Film im Iran nicht gezeigt werden darf. Nilofaar war für uns ein Glücksfall. Ihre Interviewpassagen, in denen sie zu explizit wird, haben wir allerdings nicht verwendet.
Najafi: Auch meine Äußerungen, die ich hier mache, können für Unannehmlichkeiten im Iran sorgen. Aber ich bin überzeugt, mit unserem Film für eine gute Sache zu kämpfen. Wir glauben daran, dass er Wirkung zeigen kann.
Das Freundschaftsspiel durftet ihr nicht mitverfolgen, denn den Männern war der Zutritt zum Stadion verboten. Was war das für ein Gefühl, ausgeschlossen zu sein?
Assmann: Es war sehr seltsam, nicht dabei sein zu können und keine Kontrolle mehr zu haben. Die aufgeheizte Atmosphäre aus dem Stadion trug sich nach draußen. Das Stadion liegt direkt neben einer Polizeiwache, immer wieder wurden wir aufgefordert, den Platz vor dem Stadion zu verlassen. Es war eine sehr, sehr angespannte Atmosphäre.
Najafi: Immer mehr Männer kamen hinzu und fragten: Meine Tochter spielt dort im Stadion Fußball, warum darf ich das nicht sehen? Was ist hier los? Das Interesse war riesig. Fast jeder meinte, dass Männer und Frauen zusammen im Stadion sein sollten. Bei den nächsten Spielen sollte sich endlich etwas ändern!