Kulturübergreifendes Projekt
Ende April 2006 feiern mehr als eintausend Iranerinnen in Teheran frenetisch das Freundschaftsspiel zwischen ihrem Nationalteam und einer Frauenmannschaft aus Berlin-Kreuzberg. Es ist das erste offizielle Frauenfußballspiel auf iranischem Boden seit der islamischen Revolution des Ayatollah Khomeini im Jahre 1979.
Seinen Anfang nahm das außergewöhnliche Projekt im Februar 2005 beim Berlinale Talent Campus: Dort lernen sich die deutsche Filmstudentin Marlene Assmann und der iranische Filmemacher Ayat Najafi kennen. Beide sind mit Kurzfilmen über Frauenfußball im Programm vertreten: Marlene porträtiert die Kreuzberger Frauenmannschaft des Bezirksligavereins BSV AL-Dersimpor, in der sie selbst spielt, Ayat stellt eine iranische Fußballspielerin vor. Sie beschließen, ein Freundschaftsspiel zwischen AL-Dersimpor und der iranischen Frauennationalmannschaft zu organisieren, das sie zusammen mit Marlenes Bruder David filmisch dokumentieren wollen. Humorvoll und unbefangen zeigt
Football under cover wie ein kompliziertes und langwieriges Unterfangen mehrfach zu scheitern droht, aber dank der Beharrlichkeit seiner Initiatoren/innen schließlich erfolgreich zu Ende geführt wird.
Widerstände und Vorbehalte
Sichert man Marlene, David und Ayat bei ihrem ersten Besuch in Teheran noch tatkräftige Unterstützung zu, sehen sie sich bald der Willkür iranischer Behörden ausgesetzt: Abmachungen werden nicht eingehalten, die Visa für die deutsche Mannschaft und ihre Begleitpersonen nicht ausgestellt, der Termin für das Spiel mehrfach ohne jegliche Begründung verschoben.

Auch auf deutscher Seite häufen sich die Vorbehalte gegen die Reise nach Teheran. Nach monatelangem scheinbar sinnlosem Warten beginnen die Spielerinnen von AL- Dersimpor, an dem Zustandekommen des Spiels zu zweifeln. Außerdem sorgen sich einige der Frauen um ihre Sicherheit, da die Medien nach der Wahl von Mahmud Ahmadinejad zum Präsidenten ein zunehmend negatives Bild der Islamischen Republik Iran als anti-westlichen, Terrorismus unterstützenden Staat zeichnen. Die türkischstämmigen muslimischen Spielerinnen aus Berlin-Kreuzberg fühlen sich zudem vom Rollenbild iranischer Frauen befremdet. Für sie ist es zunächst unvorstellbar, sich in der Öffentlichkeit verschleiert und im langen Mantel zu zeigen, wie es der weiblichen Bevölkerung von dem patriarchalischen "Gottesstaat" vorgeschrieben wird. Auch Fußballspielen im Freien ist den Iranerinnen untersagt, ebenso wie der Besuch sportlicher Wettkämpfe von Männern.
Fußballbegeisterte Iranerinnen
Wie der Spielfilm
Offside (Iran 2006) von Jafar Panahi beschäftigt sich auch
Football under cover mit dem Verhältnis iranischer Frauen zum Fußball. Denn trotz der massiven Einschränkungen hat die populäre Sportart im Iran nach offiziellen Schätzungen mehr weibliche als männliche Fans. Fußball stellt eine gesellschaftliche Nische dar, in der sich die Frauen miteinander solidarisieren und ihr Bedürfnis nach Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Freiheit ausleben können.

Und so kommt es schon einmal vor, dass Mutter und Tochter einmütig und allen Verboten zum Trotz im Straßenstaub kicken. Durch solche Einblicke in die weibliche Alltagssphäre im Iran räumt der Film mit gängigen Klischees über Frauen in muslimischen Gesellschaften auf. Unter dem Schleier kommt ein oftmals beeindruckender Freiheitswille und eine verblüffende Nähe zu den Zielen und Lebenseinstellungen der deutschen Frauen zum Vorschein. Der Wunsch nach persönlicher Entfaltung und Anerkennung, nicht zuletzt die entschlossene Selbstbehauptung in einer männerdominierten Sportart erweisen sich als kulturübergreifend. Die beiden Energiebündel der Teams, die türkischstämmige Susu und die Iranerin Niloofar, orientieren sich zudem beide an männlichen Vorbildern: Susu hat ihren Bruder mit ihren sportlichen Leistungen schon lange übertrumpft, Niloofar, die rebellischste Spielerin des iranischen Teams, ist ein großer David-Beckham-Fan. Oftmals umgeht sie den strengen Bekleidungskodex, indem sie sich als Mann getarnt in die Öffentlichkeit begibt. Am Ende wird Niloofar von dem sehnlichst erwarteten Freundschaftsspiel ausgeschlossen – eine bittere Enttäuschung für die junge Teheranerin und Ausdruck staatlicher Repression.
Filmemachen als Einflussfaktor
Football under cover erzählt von einem bemerkenswerten kulturellen Brückenschlag mit unprätenziösen Bildern und sensiblen Beobachtungen. Charme und Authentizität verdankt der Film seiner persönlichen Erzählperspektive und seinen überzeugenden Protagonistinnen. Die Tatsache, dass Marlene Assmann die Spielerinnen auch privat kennt, hat sicherlich viel zu deren Bereitschaft beigetragen, sich unbefangen vor der Kamera zu äußern. Offen erklärt Marlene im Voice- Over, wie wichtig es für sie selbst war, dieses Projekt zu Ende zu bringen, habe sie doch bislang viele Pläne, nicht zuletzt auch diverse Studiengänge, vorzeitig abgebrochen.
Die Präsenz des filmischen Prozesses ist in
Football under cover weit mehr als selbstreflexives Element oder dramaturgisches Gerüst, sie hat das Fußballspiel überhaupt erst ermöglicht: Dem öffentlichkeitswirksamen Filmprojekt war es zu verdanken, dass sich die iranischen Behörden letztlich kooperationsbereit zeigten. Als es dann endlich stattfindet, endet das Freundschaftsspiel zwischen Iranerinnen und Deutschen mit einem diplomatischen 2:2. Ausschließlich Frauen sind im Stadion zugelassen, Sittenwächterinnen mühen sich, die begeisterte Menge in Zaum zu halten. Das für Sommer 2007 in Berlin geplante Rückspiel sagen die iranischen Behörden zwar kurzfristig ab und der Film darf in Iran nicht öffentlich gezeigt werden – doch die Ausnahmeregelung für das Hinspiel durchbricht die starre Isolation der beteiligten Iranerinnen für 90 Minuten. Das gibt Hoffnung und Mut für Veränderungen.
Autor/in: Stefanie Zobl, Kulturjournalistin mit Schwerpunkt Film, 11.03.2008
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