"Und was ist mit dir, Donald? Was willst du studieren?" Eigentlich ist es eine ganz normale Frage, die die Mitschülerin eines Abends an Donald richtet. Aber für den 15-jährigen Jungen klingt sie zynisch. Für Donald gibt es keine Zukunft mehr, seit vor über einem Jahr bei ihm Krebs diagnostiziert wurde. Während sich seine Eltern an jeden Strohhalm klammern, weil sie die Hoffnung nicht aufgeben wollen, seine Mutter über Internetrecherchen schon zur Krebsspezialistin geworden ist und sein Vater sogar heimlich in die Kirche geht, scheint sich Donald mit seinem Schicksal abgefunden zu haben. Was er jedoch fürchtet, ist zu sterben, ohne jemals mit einem Mädchen geschlafen zu haben.
Mit dem Zeichenstift die Welt begreifen
Damit geht es Donald nicht anders als dem muskulösen Superhelden, den er in seinen düsteren Comics zeichnet, und durch den er seinen Ängsten und Wünschen ein Gesicht verleiht. In einer postapokalyptischen Welt wird dieser von einer sadistischen Krankenschwester in Lack und Leder und einem Arzt namens Dr. Glove, dessen vernarbtes Gesicht an Frankensteins Monster erinnert, gejagt. Eine Frau darf dieser Held nicht haben, weil sie ihn schwächen würde. Ja, mehr noch: Die Frauen in Donalds Comics sind in ihrer offenen Sexualität eine regelrechte Bedrohung für den Helden. Immer wieder bindet Ian Fitzgibbon
Animationssequenzen in die Handlung seines Realfilms ein und lässt damit das Publikum eintauchen in die wilde comichafte Gedanken- und Traumwelt von Donald. Damit überträgt er den Stilmix der Romanvorlage
Superhero von Anthony McCarten, in der ebenso fließend Soundwords (Schallwörter) und Drehbuchanweisungen, Comic Panels (Einzelbilder) und Fließtext ineinander übergehen, auf die Leinwand und findet so eine ausdrucksstarke Entsprechung für Donalds Gefühle.
Die Fantasiewelt verselbstständigt sich
So cool und überdreht, plakativ und ausgelassen die
Zeichentrickwelten zunächst wirken mögen, so wenig verliert sich die Inszenierung jedoch darin. Wie real Donald diese Comicwelt tatsächlich empfindet und wie eng sein Leben damit verbunden ist, zeigt eine ergreifende Szene, in der Donald panisch und in Todesangst aus einem Alptraum aufwacht: Dr. Glove hat darin nicht nur sein Superhelden-Alter-Ego, sondern ihn selbst kurz zuvor ermordet. Längst hat sich die Fantasiewelt der Kontrolle ihres Erfinders entzogen – so wie auch Donald mit fortschreitender Krankheit die Kontrolle über sein Leben verliert.
Melancholie ohne Pathos
Doch im Zentrum von
Am Ende eines viel zu kurzen Tages steht nicht die Krankheit, sondern vielmehr das Erwachsenwerden, für das Donald viel weniger Zeit hat als seine Altersgenossen/innen. Und so wird der Film vor allem zu einer Liebesgeschichte, als Donald sich in die neue Mitschülerin Shelly verliebt, ein Mädchen, das sagt, was es denkt, und das unbeschwert jegliche Regeln und Verbote ignoriert. Durch sie findet Donald einen Ausweg aus dem von den Routineuntersuchungen im Krankenhaus bestimmten Alltag. Anders als sein Comicheld wird er durch seine Gefühle zu einem Mädchen nicht geschwächt. Im Gegenteil, Shelly gibt ihm Zuversicht und Kraft. Zu den schönsten Filmmomenten zählt es, wenn sie ihm für ein Rendezvous zusagt und bei einem langen nächtlichen Ausflug eine tiefe Verbundenheit zwischen Donald und Shelly entsteht. In diesen Szenen fängt der Film mit seiner matten
Farbgestaltung, dem melancholisch-sehnsuchtsvollen Setting am Meer und dem oft ätherisch klingenden Indie-
Soundtrack von Angus & Julia Stone sowie von Jonny Kearney & Lucy Farrell wunderbar ein, wie sich die beiden Teenager näher kommen, bis sie schließlich auf einer lebhaften Party ausgelassen miteinander tanzen. Ihre Bindung hat Bestand, auch wenn ein dummes Verhalten die Freundschaft noch am gleichen Abend auf die Probe stellt und den Film für kurze Zeit in das Fahrwasser einer konventionellen Romanze bringt.
Erinnerung und Spuren
Ian Fitzgibbon hat ein gutes Gespür dafür, wann genug gesagt und gezeigt wurde. Vor allem aber nimmt er die Gefühlswelt seines Protagonisten ernst und erzählt nie über dessen Kopf hinweg. An den dramaturgisch präzise ausgearbeiteten Nebenfiguren arbeitet sich Donald ab, vor allem an Shelly, aber auch an dem auf Todkranke spezialisierten Psychiater Dr. King, der Donald so akzeptiert, wie er ist, und an den Eltern, die Donald ebenso auf Distanz halten wie umarmen möchte. Gerade die Hin- und Hergerissenheit zwischen Ablehnung und Liebe und nicht zuletzt seine Verletzlichkeit machen diesen jungen Protagonisten so glaubwürdig.
Am Ende eines viel zu kurzen Tages findet eine gute Balance zwischen Leichtigkeit und Ernst und wirkt vor allem dadurch sehr ehrlich. Dass er sein Publikum schließlich mit einem versöhnlichen Gefühl entlässt, liegt nicht zuletzt an der behutsamen Inszenierung, die auf Pathos verzichtet und ruhige Bilder für sich sprechen lässt, die das Gefühl von Verlust auch ergänzen durch die Erinnerung an einen Menschen und die Spuren, die dieser im Leben seiner Familie und seiner Freunde hinterlassen hat.
Autor/in: Stefan Stiletto, Medienpädagoge mit Schwerpunkt Filmkompetenz und Filmbildung, 08.08.2012
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Weitere Texte finden Sie mit unserer Suchfunktion.