Eine Seuche hat fast alle Menschen in Zombies verwandelt, nur in
Weimar und Jena haben sich ein paar Überlebende von der tödlichen Außenwelt abgeschirmt. Darunter die zögerliche Teenagerin Vivi und die gleichaltrige Eva, die den Schutzzaun bewacht und zur Not mit Gewalt Zombies abwehrt. Beide wollen mit einem unbemannten Versorgungszug nach Jena fahren, doch die Lok bleibt mitten im thüringischen Hinterland stecken. Auf dem Fußmarsch in die sichere Zone brechen die inneren Konflikte der ungleichen Charaktere hervor. Vivi fühlt sich schuldig, seit ihre kleine Schwester den Untoten zum Opfer fiel. Eva versteckt eine infektiöse Bisswunde, die ihr ein Zombie zugefügt hat, und hofft, dass die Gerüchte von der Heilmittelsuche in Jena stimmen. Dann treffen die Beinahe-Freundinnen die mysteriös blumenumrankte "Gärtnerin", die die Apokalypse in ein neues Licht taucht, indem sie den Untergang der Zivilisation als nötigen Neuanfang begrüßt.
Als deutsche
Genreproduktion, die zudem fast ausschließlich von Frauen realisiert wurde, hat
Endzeit doppelten Seltenheitswert. Das schürt Interesse, zumal der
Trailer einen typischen Zombiefilm mit reißerischer
Spannung suggeriert. Letztlich wendet die Regisseurin Caroline Hellsgård das klar umrissene
Horror-Subgenre jedoch in eine vergleichsweise unblutige
Coming-of-Age-Story, bei der das Setting lediglich den Rahmen absteckt. Die
Adaption der Graphic Novel von Olivia Vieweg, von der auch das
Skript stammt, fokussiert auf die Figurendynamik und die
lichtdurchflutete Natur selbst, die hier allerorten wuchert, teils sogar in untoten und lebenden Körpern. Die Protagonistinnen hadern eher mit inneren als äußeren Problemlagen und philosophieren über ihren Platz auf der neuen Erde, wobei manche Ideen wie die esoterische "Gärtnerin" durchwachsen sind, während andere das endzeitliche Jugenddrama bereichern.
In medienpädagogischen Zusammenhängen offeriert
Endzeit einen Medienvergleich mit der adaptierten Graphic Novel, die 2012 erstmals veröffentlicht wurde und 2018 in einer stark erweiterten Fassung erschien. Beim Blick auf die ersten Comicseiten sticht ins Auge, wie eng der Film die Zeichnungen nachstellt, die fast wie ein
Storyboard wirken: So verweist in beiden Medien das nur noch mit Hilfe von Solarzellen beleuchtete Weimarer Goethe-Schiller-Denkmal auf einem menschenleeren Platz nicht nur auf den Handlungsort, sondern auch auf den apokalyptischen Zustand. Inhaltliche Denkanstöße bieten die aufkeimende Freundschaft der ungleichen Frauen und die ökologischen Aspekte. Der Film vermittelt die Rückkehr der Natur in metaphorischen Bildern von Schmetterlingen oder einer Giraffe, die durch Thüringen stapft, und in Dialogen, wenn Eva die Erde als "kluge alte Frau" und die Zombie-Infizierung als "Räumungsklage" bezeichnet. Auch wenn Hellsgård das Zombie-Setting recht sachte ausgestaltet, kann der Film ein Gespräch über das Genre anregen. In der letzten Dekade hat sich die zuvor oft als albern abgetane, stets deutungsoffene Zombie-Metapher im Mainstream etabliert. Das lässt sich etwa am Erfolg der AMC-Serie
The Walking Dead, am Mash-Up-Roman "Stolz und Vorurteil & Zombies" oder dem Handyspiel "Plants vs. Zombies" ablesen. Woher mag die Popularität des Genres rühren? Und warum sind deutsche Zombiefilme trotzdem so rar?
Autor/in: Christian Horn, 21.08.2019
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