Nach einem mutwillig verursachten Verkehrsunfall sitzt die 20-jährige Berlinerin Bex eine Jugendhaftstrafe ab. Als die für Bex zuständige Sozialarbeiterin Sara ihr als Resozialisierungsmaßnahme die Teilnahme an einem vierwöchigen Streetdance-Workshop mit anderen Inhaftierten nahelegt, reagiert die einzelgängerische und von ihren Schuldgefühlen blockierte Bex zunächst abweisend. Die Hartnäckigkeit und Direktheit der knurrigen Tanzmentorin Ava und der sensible Mithäftling Jay stimmen die junge Frau allerdings Schritt für Schritt um. Durch den wachsenden Zusammenhalt in der Tanzgruppe, erste Erfolge dank eines viralen Videos und das gemeinsame Projekt, ein urbanes Theater für Streetdance auf den Weg zu bringen, öffnet sich Bex immer mehr und beginnt, ihr Trauma zu verarbeiten.
1997 gelang Katja von Garnier mit ihrem Film
Bandits über eine Gefängnisfrauenband ein Kinoerfolg. Der Jugendtanzfilm
Fly weist Parallelen dazu auf, wendet sich aber an ein jüngeres Publikum und legt den Fokus auf Ausdruckstanz. Während das
Drehbuch von Daphne Ferraro die Hintergründe und Entwicklungen der Figuren eher stichpunktartig vermittelt, stehen die emotional aufgeladenen Tanz-Performances im Mittelpunkt. Neben der Newcomerin Svenja Jung spielt der renommierte HipHop-Freestyler Ben Wichert seine erste Filmrolle, der weitere Tanz-Cast besteht aus der Breakdance-Truppe "Flying Steps". Die von Torsten Breuer geführte Kamera fängt die Choreografien sehr dynamisch ein: Das Spiel aus Distanz und Nähe, der
Soundtrack und das kreative
Tondesign reißen ebenso mit wie die
kreisenden Kamerabewegungen. Die abwechslungsreichen
Locations und die vielgestaltige Ausrichtung der teils tagtraumartigen Tanzeinlagen sorgen für Kurzweil und vermitteln neben dem Gefühlsausdruck viel Körperlichkeit bis hin zu Erotik.
In einer
Szene rezitiert Jay das Gedicht "Der Panther" von Rainer Maria Rilke. Das bietet Anlass, den unterschiedlichen Umgang der Inhaftieren mit ihrer Situation zu besprechen und die Frage zu erörtern, welche Funktion das Tanzen dabei erfüllt. In diesem Zusammenhang kann auch diskutiert werden, worauf es bei einer Resozialisierung von Straftäter/-innen ankommt. Bex leidet an der traumatischen Erinnerung an ihren Unfall und wird von Albträumen geplagt. Durch das wachsende Vertrauen in die Gruppe tanzt sie sich ihre Blockade förmlich aus dem Leib. Zugleich verarbeitet die Mentorin Ava ein eigenes Trauma, wobei es interessant ist, dass Bex und Ava mit den Elementen Wasser und Feuer assoziiert werden. Mit den Schüler/-innen kann herausgearbeitet werden, inwiefern die Tanzszenen zur Charakterisierung der Protagonist/-innen beitragen. Eine Analyse der Choreografien bzw. deren
Inszenierung vor dem Hintergrund der jeweiligen Gefühlslagen der Figuren kann die Schüler/-innen für die Ausdrucksmöglichkeiten der Tanzkunst sensibilisieren. Darüber hinaus regt der Film eine Diskussion über die fragwürdige Trennung zwischen Hoch- und Popkultur an, die Street- und Breakdancer/-innen den Zugang zu Fördermitteln und Auftrittsmöglichkeiten erschwert.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Christian Horn, 06.10.2021, Vision Kino 2021.
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