Der 19-jährige Roman Kogler sitzt wegen Totschlags im Gefängnis. Acht Jahre soll er in einer Wiener Jugendstrafanstalt verbüßen. Nach der Hälfte der Zeit hat er jedoch ein Anrecht auf Prüfung einer möglichen vorzeitigen Haftentlassung. Die Chancen stehen für das verschlossene und eigenbrötlerische ehemalige Heimkind allerdings nicht gut: Mehrere Jobs hat Roman bereits gekündigt und er gilt als jähzornig. Als ihm ein böswilliger Mithäftling die Anzeige eines Bestattungsinstituts in die Hände spielt, erweist sich ausgerechnet diese Arbeit als die richtige. Durch die Konfrontation mit dem Tod findet Roman zurück ins Leben.
Atmen ist das Regiedebüt des österreichischen Schauspielers Karl Markovics (
Die Fälscher, Stefan Ruzowitzky, Deutschland, Österreich 2006), der auch das Drehbuch schrieb. Behutsam verfolgt er Romans Bemühungen, sich in das normale Leben zu integrieren und sich seiner Vergangenheit zu stellen. Fast statisch beobachtet die Kamera seine Entwicklung und mutet dem Publikum auch einiges zu: die Monotonie des Gefängnisalltags und schmerzhaft echt wirkende Szenen von der Arbeit eines Bestatters.
Graublaue Töne dominieren, erst gegen Ende, mit dem hoffnungsvollen Ausklang von Romans Geschichte, bekommen auch die Bilder einige Farbflecken. Mit Andeutungen und Brüchen inszeniert Markovics ein kleines, fast alltägliches Drama, das gerade durch seine erzählerische Schnörkellosigkeit besticht.
Markovics Film beschäftigt sich mit tiefen Kindheitsverletzungen, mit innerer Einsamkeit, mit der tieferen Bedeutung von Leben und Tod – und berührt damit existentielle Fragen eines Daseins, das für Roman bisher wenig Erfreuliches bereit hielt. Als ehemaliges Heimkind war er auf sich gestellt, fühlte sich ausgestoßen. Der innere Entwicklungsprozess und die Biografie des Protagonisten liefern gerade im Psychologie-, Ethik- und Sozialkundeunterricht gute Anknüpfungspunkte, um sich mit Themen wie Schuld und Sühne, psychischen Prägungen sowie Ursachen von Gewalttätigkeit zu befassen. Seine Aggressivität, die ihn auch ins Gefängnis brachte – er hatte betrunken einen Freund erschlagen – erkennt Roman schließlich als Ausdruck innerer Ängste. Spannenden Gesprächsstoff bietet auch die Frage, warum ausgerechnet der ständige Kontakt mit dem Tod den Jungen wieder ins Leben zurückbringt.
Autor/in: Ingrid Beerbaum, 11.11.2011
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