Der heute 89-jährige Max Mannheimer gehört zu den letzten Überlebenden der Konzentrationslager während des Nationalsozialismus. Im Januar 1943 wurde er mit seiner Familie und seiner Frau nach Theresienstadt deportiert, es folgten Verlegungen in die Lager Auschwitz-Birkenau und Dachau sowie in das Außenkommando Mühlendorf. Nur er und sein jüngerer Bruder Edgar überlebten. Nach seiner Befreiung kehrte er nach Deutschland zurück und heiratete mehrmals, litt aber immer mehr unter der Erinnerung. Heute lebt Mannheimer in München und gibt seine Erfahrungen während des Holocaust in Vorträgen an Schulklassen weiter. Der humorvolle Mann ist nicht nur als unersetzlicher Zeitzeuge eine beeindruckende Persönlichkeit.
Die Filmemacherin Carolin Otto hat mit Mannheimer, den sie einst zufällig kennen lernte, bereits drei Filme gedreht. Sie zeigt den Mann mit dem weißen Haarschopf im Gespräch mit Schülern/innen und Freunden/innen, bei Gedenkfeiern, in seinem Malatelier sowie in verschiedenen Konzentrationslagern, den Stätten seiner Leiden. Vor der Kamera gibt er detaillierte Berichte über die tägliche Konfrontation mit dem Tod und die Überlebensstrategien der damaligen KZ-Häftlinge. Die Bilder der
Handkamera werden von gelegentlicher
Klaviermusik höchstens dezent untermalt. Dabei lässt die assoziative
Bildmontage nur vermuten, dass die Regisseurin auch älteres Material benutzt. So bleiben Ort und Zeit des Geschehens bisweilen im Unklaren – nach mehreren Szenen mit Mannheimers Bruder Edgar verrät beispielsweise erst der Abspann, dass dieser bereits vor 15 Jahren verstarb. Diese Technik erschwert die Orientierung, ist aber auch ein Mittel des respektvollen Abstands. Mannheimers Erinnerungen sind keine schnell abrufbaren Informationen.
Für die filmpädagogische Arbeit mit Heranwachsenden ist
Der weiße Rabe – Max Mannheimer ein eindrucksvolles Dokument sowohl für beispiellosen Lebensmut als auch für den schmerzhaften, aber notwendigen Umgang mit der Vergangenheit. Der Schutzschild humorvoller Lebensklugheit erweist sich als fragile Konstruktion, mehr als einmal weicht der Optimismus – Mannheimers Lebenselixier – den Tränen. Weitere Anknüpfungspunkte liefert der Film, indem in den Gesprächen mit den heute erwachsenen Kindern deutlich wird, welches psychische Erbe dieses Trauma den folgenden Generationen überlässt. Über vieles hat er selbst mit seinen Kindern jahrzehntelang nicht gesprochen. Auch für heutige Jugendliche gut nachvollziehbar lassen sich an Max Mannheimers Schicksal exemplarisch nicht nur die erschütternden Tatsachen, sondern auch die Folgen der nationalsozialistischen Verbrechen ablesen.
Autor/in: Philipp Bühler, 07.12.2009
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