Als er ungewollt Vater wird, rutscht der erfolglose Schriftsteller Gunther Strobbe in eine Lebenskrise. Schreibend rekapituliert er seine chaotische Kindheit in den 1980er-Jahren, als er – zusammen mit seinem alkoholabhängigen Vater und dessen Brüdern – im Haus der Großmutter aufwuchs. Das Leben der Männer drehte sich damals um Bier und Spaß. Das lustbetonte Dasein dieser vitalen "Prolos" mit Nackt-Fahrradrennen, Kampftrinken und Sex im Kinderzimmer ist anfangs komisch. Doch der anarchischen Karnevals- folgt stets eine aggressive Katerstimmung, bei der die Bedürfnisse des 13-Jährigen rücksichtslos übergangen werden. Auch in der Schule wird der Junge ausgegrenzt, gilt er dort doch als "asozial". Halt findet er allein bei der Großmutter. Schließlich wird eine Fürsorgerin vom Jugendamt auf die haltlose Situation in der Familie aufmerksam: Gunther kommt in ein Internat und kann dort, in der Sicherheit fester Strukturen, in Ruhe lernen und damit beginnen, sein Leben zu ordnen.
Die belgische Tragikomödie basiert auf dem autobiografischen Bestsellerroman von Dimitri Verhulst und ist nichts für Zartbesaitete. Regisseur Felix Van Groeningen überträgt Verhulsts literarischen Exorzismus recht ungeschminkt auf die Leinwand. Gerade diese völlig subjektive Nahsicht eines "Schmuddelkindes" auf seine Umgebung, die aus dem
Off vom erwachsenen Gunther kommentiert wird, macht das Geschehen herzzerreißend und nachvollziehbar. Die genaue Milieubeschreibung findet ihre Fortsetzung in der liebevollen Zeichnung der Charaktere, die nie an bloßen Klamauk verraten werden. Die Anekdoten des Films, der auf mehreren Zeitebenen spielt, deren Wechsel durch
schwarzweiße Passagen angezeigt werden, sind dabei zugleich so deftig komisch wie in
Flodder – Eine Familie zum Knutschen (Flodder, Dick Maas, Niederlande 1986) und so traurig wie im Drama
Die Asche meiner Mutter (Angela’s Ashes, Alan Parker, USA, Irland 1999).
Anhand von
Die Beschissenheit der Dinge lässt sich im Unterricht hinterfragen, inwiefern Kindheit und Jugend prägende Lebensphasen sind. Deutlich wird im Film vor allem die innere Zerrissenheit des heranwachsenden Gunther, der im Dorf wegen seiner Familie gemieden wird und beim Vater wegen seiner Fluchtgedanken Aggression hervorruft. Ohne Pathos wird vermittelt, wie es der Junge und spätere Erwachsene dennoch schafft, seinem Umfeld und dessen traumatischem Widerhall zu entkommen. Zudem lässt sich anhand des Films das Thema Alkoholismus diskutieren. Realistische Szenen zeigen die direkten Folgen der Sucht für den Trinkenden, vor allem aber werden die Auswirkungen auf die gesamte Familie und speziell auf Gunther deutlich, der unter extrem verunsichernden Bedingungen aufwächst.
Autor/in: Birgit Roschy, 19.05.2010
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