Schön ist es in Nordhessen: saftige Weiden, sanfte Hügel, satte Natur. Nur Arbeitsplätze sind rar, weshalb Henner Sattler, CDU-Bürgermeister des Städtchens Hofgeismar, etwas für den Aufschwung plant: Auf dem Boden der nahe gelegenen Domäne Beberbeck mit seinem kurfürstlichen Schloss, soll das größte Tourismusprojekt Europas entstehen. 800 Hektar groß ist das Areal - Platz genug für ein Ferienressort der Superlative inklusive künstlicher Seenplatte, Luxushotels, Poloplatz und Künstlerdorf. 420 Millionen Euro sind für das Bauvorhaben angesetzt, 1.000 Arbeitsplätze sollen nach Sattlers Rechnung mit dem Freizeitkomplex geschaffen werden. Doch vorerst muss sich der Bürgermeister mit Themen wie Immobilienfinanzierung und Investorensuche befassen. Ihm zur Seite steht Architekt Tom Krause, der das Ressort geplant hat. Projekte dieser Größenordnung sind seine Stärke; ständig pendelt er zwischen Auftraggebern in Dubai und São Paulo.
Wie schon in seiner Dokumentation
Weltmarktführer (D 2004), mit der Klaus Stern den gescheiterten New-Economy-Unternehmer Tan Siekmann porträtierte, steht auch in
Henners Traum ein Mann und seine Vision im Mittelpunkt des Geschehens. Zweieinhalb Jahre lang begleitet der aus Nordhessen stammende Filmemacher das ungleiche Gespann Sattler/Krause. Beide geben extrovertierte Einblicke in ihre Privatsphären, in ihr Planen und Handeln. Trotz seiner Allgegenwärtigkeit bewahrt sich Stern jedoch eine wertfreie Distanz zu seinen Protagonisten. Er filmt den Planungsprozess, die nötige Überzeugungsarbeit, das zähe Ringen mit Bürokraten, die schwierige Suche nach internationalen Geldgebern. Dabei fallen zwangsläufig harte Worte und es ergeben sich unvorteilhafte Situationen. Manchmal wackelt die Kamera, manchmal nimmt das Ansteckmikrofon Sätze auf, die besser ungehört verhallen. Klaus Stern lässt sie kommentarlos stehen, das Publikum darf seine eigenen Schlüsse ziehen.
Ist dieser Sattler nun ein Visionär oder ein naiver Träumer? Henners Traum stellt den Bürgermeister nicht bloß und bezieht keine Stellung. Sterns Langzeitreportage vermittelt stattdessen ungeschönte, manchmal an Realsatire grenzende Einblicke in die Kommunalpolitik und damit ein Stück deutsche Realität. Nebenbei veranschaulicht er in seinem Film die Mechanismen der Immobilienfinanzierung und vermittelt einen Eindruck davon, wie es zur gegenwärtigen Wirtschaftskrise kommen konnte. Denn irgendwoher müssen die Millionen ja kommen, für ein Ferien-Ressort, das in einer Region ohne Meer und mit zu viel Regen entstehen soll.
Autor/in: Cristina Moles Kaupp, 25.03.2009
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