Der 16-jährige Inuk lebt mit seiner alkoholkranken Mutter in der grönländischen Hauptstadt Nuuk. Als sich die Mutter und ihr gewalttätiger Lebensgefährte erneut streiten, verbringt der verschlossene Junge die Nacht in einem verlassenen Auto, wo ihn die Polizei findet. Eine Sozialarbeiterin schickt Inuk in ein Jugendheim auf eine einsame Insel im Norden. In dieser arktischen Region ist Inuks Vater, ein Eisbärenjäger, vor seinen Augen vor etlichen Jahren im Eis eingebrochen und ertrunken. Die Heimleiterin organisiert für Inuk und andere schwer erziehbare Jugendliche einen Hundeschlitten-Ausflug mit Robbenjägern aufs Eis.
Der in Frankreich lebende US-Regisseur Mike Magidson, ein grönlanderfahrener Dokumentarist, realisierte seinen ersten, mehrfach ausgezeichneten Spielfilm über einen entwurzelten Inuit-Jungen hauptsächlich mit Laiendarstellern/innen, deren realen Geschichten und Erfahrungen in die Fiktion eingeflossen sind. Dies alles sorgt für eine authentische Atmosphäre. Die Dialoge und Off-Kommentare, die Mike Magidsoon und sein Ko-Autor Jean-Michel Huctin, ein Anthropologe mit zwölfjähriger Grönland-Erfahrung, geschrieben haben, sind auf das wesentliche reduziert und entfalten vor allem im Original ihre Ausdrucksstärke. Eindrucksvoll sind die imposanten Aufnahmen der lebensfeindlichen Eiswüsten, die die Kamera in vielen
Totalen einfängt.
Das bildstarke
Coming-of-Age-Drama kombiniert eine Reihe von Problemkreisen, die fruchtbare Anknüpfungspunkte für den Unterricht liefern. So schränkt die globale Erderwärmung, die das empfindliche Ökosystem Grönlands stört, die Lebensgrundlage der Ureinwohner/innen ein und zwingt sie zum Umzug in die Städte, wo es an Jobs fehlt und der Alkoholmissbrauch grassiert. Im Fach Sozialkunde könnte thematisiert werden, wie weit sich die junge Generation bereits von den Traditionen der Inuit entfernt hat. Zudem müssen sie sich in ihrer Heimat oft als Fremde fühlen, wenn etwa auf dem Sozialamt nur Dänisch als Amtssprache gesprochen wird. Emotionale Wucht entwickelt der Film, wenn Inuk, der sich mit HipHop-Musik per Kopfhörer dauerbeschallt, durch den alten Jäger Ikuma aus seiner Selbstisolation gerissen wird und beide sich bei der Robbenjagd im Dauerfrost ihren Traumata stellen. In diesem Zusammenhang kann diskutiert werden, was die Jugendlichen während ihrer extremen Naturerfahrungen mit den Jägern grundsätzlich über Vertrauen und Respekt für Mensch und Natur lernen.
Autor/in: Reinhard Kleber, 31.01.2013
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