Brooklyn, 1946. Von seinen Forscherkollegen wird der junge Thor Heyerdahl ausgelacht: Er ist davon überzeugt, dass die polynesischen Inseln von Südamerika aus besiedelt wurden, statt wie bisher angenommen aus Südostasien. Um seine kühne These zu beweisen, sticht der Norweger mit einer kleinen Mannschaft im April 1947 in See. Ihr aus leichtem Balsaholz gefertigtes Floß, die Kon-Tiki, wird allein von Tauen und Knochen zusammengehalten – eine Technik, die von südamerikanischen Ureinwohner/innen überliefert wurde. Viele Stürme und Seeabenteuer später erreicht die weltweit beachtete Expedition ihr Ziel. Thor Heyerdahl hat bewiesen, dass die Besiedlung Polynesiens vom Osten her zumindest möglich war. Seine Fahrt gilt als eine der wichtigsten archäologischen Erkundungen des 20. Jahrhunderts.
Kon-Tiki ist ein klassischer Abenteuerfilm. Im Mittelpunkt stehen der Forscherdrang und der Idealismus eines unbeugsamen Helden. Mit Thor Heyerdahl selbst kann es höchstens der Ozean aufnehmen, dessen gefährliche Schönheit durch
sanfte Kamerafahrten und aufbrausende
Musik ästhetisch überhöht wird. Gebrochen wird dieses Pathos durch den Humor an Bord und Heyerdahls Enthusiasmus. Der Tiefe der Charaktere kommt diese Fixierung nicht unbedingt zugute, die Dramaturgie erschöpft sich vor allem in maritimen Abenteuern wie der Bedrohung durch Haie oder der Sorge um die Haltbarkeit ihres Gefährts. So folgt der Film letztlich der Selbstdarstellung Heyerdahls, der sich und seine Reise in einem Dokumentarfilm (Kon-Tiki, Norwegen, Schweden 1950) verewigt hat. Szenen aus dem mit einem Oscar® prämierten Werk werden in vergnüglichen
Schwarzweißmontagen nachgestellt.
Mit seiner unterhaltsamen Machart in opulenter Optik bietet der Film Schüler/innnen einen leichten Zugang zu geschichtlichen und naturwissenschaftlichen Themen. Diese reichen von der Frühkultur der Inka – die Kon-Tiki wurde nach einem Sonnengott benannt – über die Beschaffenheit der Meeresströmungen bis zum biologischen Reichtum der Ozeane. Inwieweit Heyerdahls mediale Selbstvermarktung durch den Film reflektiert und fortgesetzt wird, sollte in der Diskussion ebenso zur Sprache kommen wie die Begeisterung, die sein Projekt in einer noch nicht von Massenmedien beherrschten Zeit entfachen konnte. Die Auseinandersetzung mit filmsprachlichen Aspekten kann nicht nur den etwas aufdringlichen Einsatz der Musik behandeln, sondern auch die prinzipielle Problematik "wahrer Geschichten", deren bekannter Verlauf die Aufwertung durch übertriebene gestalterische Mittel geradezu erfordert.
Autor/in: Philipp Bühler, 20.03.2013
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