Maria ist 14 Jahre alt und sehr fromm. Sie wächst in einer streng katholischen, fundamentalistischen Gemeinde auf. Im nachmittäglichen Unterricht, mit dem Pater Weber Jugendliche auf die Firmung vorbereitet, ist sie Musterschülerin und verinnerlicht ihre Rolle als "Soldatin Christi" im Kampf gegen Satan, das Böse in der Welt und jede Aufweichung des Glaubens. Sie will verstehen, was es bedeutet, ihr Leben Gott zu widmen, ihr Leben hinzugeben. "Versuchungen" wie modernem Liedgut im Sportunterricht widersetzt sie sich. Bei allem steht der beklemmenden Enge der Familie und der dominanten Mutter als alternative Bezugsperson das Kindermädchen Bernadette gegenüber. Doch Maria folgt ihrem Entschluss bis zum Ende. Und im Moment ihres Todes spricht ihr kleiner, kranker Bruder unerklärlicherweise sein erstes Wort. Ein Wunder?
Die Geschwister Dietrich und Anna Brüggemann (
3 Zimmer/Küche/Bad, 2012) haben erneut gemeinsam das
Buch zu einem bemerkenswerten Film geschrieben. Und erneut erfinden sie sich immer wieder ein Stück weit neu. Dietrich Brüggemann arrangiert die 14 Kapitel des Films stilistisch perfekt im Tableau-Stil und nach den 14 Stationen des Kreuzweges. Ruhige, meist statische (und bis zu 14 Minuten lange)
Einstellungen, reduzierte
Kamerabewegungen, dazu ein weitgehender Verzicht auf
Hintergrundmusik – all das nimmt das Publikum mit hinein in die Dramaturgie und Dramatik dieses Kreuzweges. Erst zum Ende des Films verlässt die Kamera, die gerade in den ersten Bildern ausgesprochen nah an den Personen ist, die Perspektive und weitet den Blick. Die Perspektive geht, ob fragend, zweifelnd oder auch tröstend, in den Himmel.
Im Film heißt das sektiererische Grüppchen "Paulusbruderschaft". Doch lehnen sich die Geschwister Brüggemann an die traditionalistische Piusbruderschaft an, zu der sie nach eigenem Bekunden in ihrer Kindheit auch einen kurzen biographischen Bezug hatten. Der Film zeigt geradezu provozierend die zerstörerische Kraft von religiösem Fundamentalismus. Zugleich wird in der Person von Bernadette auch das Bild eines lebensbejahenden, menschlichen Katholizismus vermittelt. Gerade die Einbeziehung dieser alternativen Glaubensfigur verhindert eine zu schroffe Absage an jede Religiosität und lädt zum Nachdenken über angemessene Formen religiösen Glaubens ein. Sowohl von seiner filmischen Machart als auch von seiner inhaltlichen Dichte her steht der Film würdig in der Tradition von Werken wie
Ordet (Carl Theodor Dreyer, Dänemark 1955) und
Requiem (Hans-Christian Schmid, Deutschland 2006).
Autor/in: Christoph Strack, 18.03.2014
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