Schon als kleines Mädchen wurde Marisa von ihrem geliebten Opa "Kriegerin" genannt. Als Jugendliche schließlich ist sie dazu geworden. Mit ihren rechtsradikalen Freunden streift sie durch die ostdeutsche Provinz, beschimpft und verprügelt Ausländer. Sie liebe ihr Land, sagt sie. Nach einem durch sie verursachten Unfall hilft sie aus Schuldgefühlen dennoch einem 14-jährigen Asylbewerber aus Afghanistan und bietet diesem sogar Zuflucht in ihrer Garage. Je mehr sie mit dem Jungen redet, desto mehr wendet sie sich von den simplen Parolen der Nazi-Clique ab. Ganz im Gegensatz zur 15-jährigen Svenja. Diese findet in der rechten Ideologie endlich Orientierung.
Zwei rechtsextreme Lebenswege stellt der Debütfilm von David F. Wnendt exemplarisch gegenüber und erzählt so parallel die Geschichte eines Ausstiegs und einer Initiation. Vor allem die familiären Umstände beeinflussen die beiden jungen Protagonistinnen maßgeblich. Marisas Einstellung ist geprägt von der Überzeugung ihres Großvaters, eines konservativen Altnazis, Svenja wiederum streitet ständig mit ihrem Stiefvater und erhält durch ihren neuen Freund Zugang zur rechten Szene. Je konkreter die Motive der Figuren allerdings auf bestimmte Ereignisse und Szenen zurückgeführt werden, desto eindimensionaler und klischeehafter wirkt der Film.
Interessanter als Svenja, die allzu schnell von der Schülerin zur rebellischen Mitläuferin wird, ist daher Marisa. Lange schwankt sie zwischen den aggressiven Ritualen der rechten Clique und ihrem Mitgefühl für den jugendlichen Asylbewerber und zeigt damit ihre Unentschlossenheit. Während die eigens für den Film produzierte
Musik, die sich an den Stil und die Texte rechter Bands anlehnt, ihre Wut zum Ausdruck bringt, forciert die Kameraführung durch die zahlreichen nahen
Einstellungsgrößen zugleich eine unbequeme Nähe zu ihr und fordert so zur Auseinandersetzung heraus – mit ihrer politischen Haltung, aber auch mit der Glaubwürdigkeit ihrer Veränderung.
Autor/in: Stefan Stiletto, 08.12.2011
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