In einer Vorstadt von Melbourne lebt die achtjährige Mary – eine Außenseiterin mit einer alkoholabhängigen Mutter und einem eigenbrötlerischen Vater. Im Telefonbuch von New York stößt sie eines Tages zufällig auf Max Horovitz, dem sie alsbald Briefe schreibt und ihn dabei mit allerlei Fragen löchert. Der dickleibige 44-Jährige leidet am Asperger-Syndrom und lebt zurückgezogen. Zunächst lösen die offenherzigen Briefe Angstzustände bei ihm aus, bevor er seiner unverhofften Bekanntschaft freimütig antwortet. Zwischen beiden entwickelt sich eine langjährige Brieffreundschaft über Kontinente, Lebensformen und Altersunterschiede hinweg – bis die inzwischen promovierte Psychologin Mary nach New York reist, um den älter gewordenen Max zu sehen.
Ähnlich wie in Adam Elliots Oscar® prämiertem Kurzfilm
Harvie Krumpet (Australien 2003) verleihen ausgefallene Figurenzeichnung, entschleunigte Montage und originelle Knetanimation im klassisches Stop-Motion-Verfahren auch
Mary & Max einen ganz eigenen, liebenswert altmodischen Look. Im Unterschied zu computertechnisch perfektionierten und actionreichen Knetfiguren-
Animationen wie
Wallace & Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen (Steve Box, Nick Park, Großbritannien, USA 2005) charakterisiert den Film das kunstvoll umgesetzte Narrativ einer ebenso skurrilen wie wirklichkeitsnahen Außenseiter-Freundschaftsgeschichte, die Kinder- und Erwachsenenperspektiven ineinander spiegelt. Eine konstante Erzählerstimme aus dem Off strukturiert die Brieferzählung. Gedanken und Empfindungen der Figuren werden oft kontrastdramaturgisch in fantastische Animationen "übersetzt". Ähnlich funktioniert die
Farbdramaturgie, die Marys und Max’ Welten in unterschiedliche Braun- und Grautöne mit signifikant abweichenden Farbtupfern taucht.
Durch Tonfall und Atmosphäre, aufgrund seines schräg-schwarzen Humors und mit Blick auf düstere Themen wie Alkoholismus, Depression und Selbstmord erschließt sich der Film gewinnbringend erst Jugendlichen. Besonders im Kunst- und medienkundlichen Unterricht bietet sich eine filmsprachliche Analyse der Animationskunst an, auch im Vergleich mit populären Stop-Motion-Technik-Filmen wie etwa der oben genannten Knetfiguren-Animation. Thematisch ergeben sich Fächer übergreifend gut erschließbare Zugangsmöglichkeiten zu Umfeld und Charakter der beiden Titelfiguren. Diese vermitteln auch interkulturell und intergenerationell perspektivenreiche Einsichten in den zentralen Themenkomplex
Außenseiter – Freundschaft – Identität.
Autor/in: Reinhard Middel, 05.08.2010
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