Franken im Jahr 1949: Erich Freytag kehrt aus dem Krieg zurück und ist zu Hause zunächst nicht willkommen. Seelisch gebrochen und voller Misstrauen, gelingt ihm dennoch die Teilnahme am deutschen Wirtschaftswunder: Eine Gartenzwergfabrik, bezeichnend für den bundesdeutschen Nachkriegsmief, bringt seiner Familie bescheidenen Wohlstand. Sein Sohn Klaus heiratet Gisela, eine Tochter aus großbürgerlichem Haus und wie er intellektuell interessiert. Beide widmen sich der Schriftstellerei, ihr Sohn Robert hat dabei das Nachsehen. Bereits seine früheste Kindheit ist überschattet von den Ehekrisen der Eltern und dem Gefühl mangelnder Liebe. Zwischen dem überforderten Vater, der sich in der West-Berliner Bohème der 1960er-Jahre umtut, und zwei komplett verschiedenen Großelternfamilien hin- und hergeschoben, wird Robert zum rebellierenden Hippie und findet erst mit seiner Jugendliebe Laura zu einem stabilen Selbstbild.
In seinem Film
Quellen des Lebens, der auf seinem autobiografischen Roman
Herkunft (2011) basiert, zeichnet Regisseur Oskar Roehler ein Familienporträt über drei Generationen. Dass sich hinter der Erzählstimme sein Alter Ego Robert verbirgt, wird erst nach und nach deutlich. Als zeitgeschichtlicher Schnelldurchlauf setzt der Film vor allem auf Kostüm und Ausstattung, vom Resopal-Notmobiliar der 1950er bis zu den
schreienden Farben der Flower-Power-Ära. Surreale Lichteffekte durchbrechen gelegentlich den Eindruck von Authentizität und machen den Film als – zu Anfang nur von Hörensagen gespeiste – Erinnerung kenntlich. Der erzählerische Ton schwankt zwischen familiärer Empathie und komödiantischer Farce, symptomatisch für die innere Zerrissenheit der Hauptperson.
In betont lockerer Form bietet der Film einen Überblick über drei Jahrzehnte bundesdeutscher Nachkriegsgeschichte. Die Anbindung eines persönlichen Schicksals an wichtige Debatten der Zeit ist nicht frei erfunden: Roehlers Vater Klaus war zeitweilig RAF-Sympathisant; seiner Mutter, der linken Schriftstellerin Gisela Elsner, widmete er bereits seinen bewegenden Film
Die Unberührbare (Deutschland 1999). Vor allem zu Anfang ist die spezifische Stimmung der jungen Bundesrepublik, eine Mischung aus zupackendem Optimismus und reaktionärer Verkrustung, plastisch geschildert. Mit Eintritt Roberts in die Geschichte allerdings gerät der Film immer mehr zur Selbstinszenierung und verliert sich in oft banalen Szenen. Die Verbindung von Familien- und Zeitgeschichte bietet dennoch reichlich Stoff für Diskussion im Unterricht.
Autor/in: Philipp Bühler, 11.02.2013
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