London 1993: Nach einem Attentatsversuch in der Londoner U-Bahn wird die IRA-Bombenlegerin Colette McVeigh vom britischen Geheimdienst MI5 verhaftet. Ein Agent namens Mac, ihr zukünftiger Vertrauensmann, stellt sie vor die Wahl: Eine Haftstrafe von 25 Jahren und die Trennung von ihrem Sohn ließen sich vermeiden, wenn sie im Gegenzug die eigene Familie bespitzelt. Seit Generationen sind die McVeighs, darunter ihre Brüder Gerry und Connor, im bewaffneten Widerstand aktiv. Colette willigt ein und kehrt zurück nach Belfast, wo ihr als "Maulwurf" jederzeit die Entdeckung droht. Die Situation eskaliert, als Macs Vorgesetzte ihre Enttarnung riskieren, um einen weiteren, wichtigeren Informanten zu schützen.

Der Film beginnt mit einer Rückblende in das Jahr 1973: Seit der Kindheit fühlt sich Colette schuldig am Tod ihres kleinen Bruders und der Familie darum doppelt verpflichtet. Weitere Erklärungen ihrer Motive bleiben aus, in einem bewusst dialogarmen Film setzt die Regie ganz auf die Kraft ihrer
düster grundierten Bilder. Die meist
statische Kamera filmt ihre Motive oft durch halboffene Türen oder Fenster und versinnbildlicht damit die emotionale Distanz zwischen den Charakteren, die sich mit kaum verstecktem Misstrauen begegnen. Der bedrückenden Enge der Belfaster Vororte entgegen steht die kalte Anonymität der weitläufigen Geheimdienstzentrale, in der auch Mac als Außenseiter agiert. Die nüchterne Inszenierung, in der die
Musik bedrohliche Akzente setzt, hält die Spannung bis zum Schluss.
Seit den politisch unruhigen 1970er-Jahren bildet der Nordirlandkonflikt einen thematischen Eckpfeiler des irisch-britischen Kinos. Zahlreiche Thriller und Dramen geben einen meist realistischen Einblick in die gewaltsamen Auseinandersetzungen mit ihren verheerenden psychologischen Folgen. Im Jahr 1993 allerdings standen die erfolgreichen Friedensverhandlungen kurz vor dem Abschluss. Mit diesem Perspektivwechsel – die weibliche Hauptfigur ist ein weiterer – öffnet der bekannte Dokumentarfilmer James Marsh den Blick von ideologischen Fragestellungen hin zu familiären und nachbarschaftlichen Strukturen, in denen die Tradition der Gewalt unvermindert weiterlebt. Vor diesem Hintergrund können Schülerinnen und Schüler Colettes Sozialisation und Motive analysieren. Die Ursachen und der Verlauf des Nordirland-Konflikts werden im Film nicht weitergehend beleuchtet, sodass zum besseren Verständnis weiteres Informationsmaterial herangezogen werden sollte. Über den speziellen historischen Kontext hinaus erlaubt
Shadow Dancer zudem Diskussionen zum allgemeinen Themenkomplex von Loyalität, Schuld und Verrat.
Autor/in: Philipp Bühler, 03.09.2013
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