An einem Bonner Privatgymnasium ist die hochintelligente 15-jährige Ada eine Außenseiterin. Als der 18-jährige Alev an die Schule kommt, verliebt sich Ada in den charismatischen jungen Mann. Obwohl er keine Liebesbeziehung will, kommen sich beide näher. Alev überredet Ada, seine Theorie vom "Spieltrieb" am Deutsch- und Sportlehrer Smutek auszuprobieren. Für den gefühlskalten Schönling sind Menschen nur Figuren, die man manipulieren und so zu ihrem "Glück" zwingen kann. Auf Alevs Vorschlag hin verführt Ada den verheirateten Lehrer in der Sporthalle. Mit dem dabei gedrehten Video zwingt der Schüler Smutek, jede Woche mit Ada zu schlafen. Doch dann läuft das Spiel aus dem Ruder.
Der Regisseur Gregor Schnitzler zeigt nach
Soloalbum (Deutschland 2002) und
Die Wolke (Deutschland 2006) erneut, dass er bei der Adaption ambitionierter literarischer Vorlagen eine eigene Handschrift entwickeln kann. Die Drehbuchautoren/innen haben die Stofffülle des 570-Seiten-Romans von Juli Zeh aus dem Jahr 2004 erheblich reduziert und sich auf den dramatischen Kern der Dreiecksbeziehung zwischen Ada, Alev und Smutek konzentriert. Parallel dazu wurden die philosophischen Reflexionen und Fragestellungen der Vorlage weitgehend gestrichen. Um das Identifikationspotenzial Adas für das jugendliche Publikum zu erhöhen, haben die Filmemacher/innen die Protagonistin deutlich sympathischer angelegt als im Roman. Insbesondere die
Montage spiegelt durch eine geschickte Verbindung von dynamischen und in
Zeitlupe gedrehte Szenen Adas eigene Zerrissenheit wider. Der Schluss schließlich zeigt sie als moralisch geläuterte und seelische befreite junge Frau, die sich von ihren äußeren und inneren Dämonen gelöst hat.
Im Deutschunterricht liegt ein direkter Vergleich zwischen dem autobiographisch grundierten Buch und dem Film nahe. Exemplarisch können medienspezifische Gestaltungsweisen und künstlerische Akzentsetzungen herausgearbeitet werden. Dies kann beispielsweise anhand der filmästhetischen Darstellung der Innenwelt der Protagonistin geschehen. Trotz des weitgehenden Verzichts auf philosophische und literarische Ausführungen bietet der Film genügend Möglichkeiten, literarische Querverweise aufzuspüren. Beispielsweise kann analysiert werden, inwiefern sich Spieltrieb auf Robert Musils Hauptwerk
Der Mann ohne Eigenschaften oder Johann Wolfgang von Goethes
Faust bezieht. Das Grundthema der Manipulation bietet interessante Ansatzpunkte für eine eingehende Analyse in den Fächern Ethik und Philosophie. So nimmt die Figur des Alev im Film Züge eines nihilistischen Übermenschen an, der sich zum Herrscher über andere erhebt und damit Vergleiche mit dem Gedankengut Friedrich Nietzsches nahelegt. Ferner wirft Alevs diabolische Wirkungsmacht ein Schlaglicht auf die Verführbarkeit von Menschen, denen es an Lebenserfahrung mangelt. Hier könnte etwa erörtert werden, warum Ada der erotischen Anziehungskraft des Ausnahmeschülers Alev erliegt. Darüber hinaus kann anhand der Normverletzungen von Alev und Ada im Ethikunterricht die Frage diskutiert werden, ob und zu welchem Grad Grenzüberschreitungen tolerierbar sind und wann sie in kriminelles Handeln übergehen.
Autor/in: Reinhard Kleber, 13.09.2013
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