Zwischen Auftritt und Alltag
Miley Stewart führt ein geheimes Doppelleben als Schülerin an einer Highschool im kalifornischen Malibu und als Popstar Hannah Montana. Doch beim turbulenten Hin und Her zwischen Auftritten und schulischem Alltag wächst ihr der Ruhm über den Kopf. Schließlich greift ihr Vater Ray ein und lotst seine zickige Tochter zurück ins ländliche Tennessee, wo sie bei ihrer Großmutter zur Besinnung kommen soll. Miley verliebt sich in ihren alten Schulfreund, Cowboy Travis, und lernt Land und Leute erneut schätzen. Doch ihr Alter Ego holt sie ein: Miley, die damit prahlte, Hannah Montana zu kennen, soll den Star zu einem Benefiz-Konzert einladen, um eine Bürgerinitiative gegen einen Baulöwen zu unterstützen. Miley verheddert sich immer unglückseliger zwischen Schein und Sein und beschließt bei ihrem Konzert spontan, Farbe zu bekennen.
Verführerisches Popmärchen
Der Kinofilm zur Disney-Serie
Hannah Montana (deutsche Erstausstrahlung 2006) erweist sich als ein von Könnerhand gedrehtes Spin-Off (Ableger), in dem die zuckersüßen Klischees von Mileys/Hannahs Welt liebevoll ins Bild gesetzt werden.
Bereits die immens populäre Serie zeigte, dass mit der Hannah/Miley-Figur ein Nerv junger Zuschauerinnen getroffen wurde. Nun bedient – und formt – auch der Spielfilm gekonnt das Wunschdenken der "Pre-Teens" von neun bis etwa 14 Jahren, die erst seit wenigen Jahren im Fokus der Produzenten/innen stehen. Der britische Regisseur Peter Chelsom (
Funny Bones, GB, USA 1995) zeigt sowohl das glamouröse Stardasein wie auch das Country-Girl-Paradies in strahlenden
Farben, wobei er den
Schnittrhythmus von rasant auf gemütlich verlangsamt.
Ländliches Biedermeier
Auf die Zielgruppe der Mädchen zugeschnitten, präsentiert der Film in weiten
Kameraeinstellungen Pferdeidyllen und in Slow Motion gedrehte
Ausritte mit dem ritterlichen Travis und hält sich treu an den konservativen Disney-Stil. Chelsom entfaltet ein ländliches Familienidyll, bestehend aus einer starken, unterstützenden Vaterfigur, einer handfesten Oma und musizierenden Verwandten. Das Stereotyp einer heilen Welt wird nur von außen – von einem Bauspekulanten – bedroht. Das Großmutterhaus mit geschmackvoll nostalgisch ausgestatteter Nestwärme inmitten des Wälder- und Hügellandpanoramas des Originaldrehortes macht auch das erwachsene Publikum neugierig auf die verborgenen Reize Tennessees. Leichthändig inszeniert, erweist sich das Popmärchen
musikalisch ebenfalls als verführerisch, wenn Miley ihre widersprüchlichen Bedürfnisse zwischen Abnabelung und Nähe, zwischen der Loyalität zu den eigenen Zielen und zur Familie in Songs auslotet. Sowohl die Auftritte bekannter Nachwuchssänger/innen wie Mileys eigene Musik, sei es beim HipHop-Countrymusik-Crossover oder beim anrührenden Gitarrenduett mit dem Vater, haben einen Anflug von Bluegrass-Folklore und Songwriter-Authentizität.
Konformistisches Rollenspiel
Im Kontrast dazu bedient Mileys Alter Ego Hannah mit ihren Shopping-Touren einen (noch) spielerischen Narzissmus.
Der Film zitiert im Grunde unhinterfragt die gerade in den Köpfen pubertierender Mädchen verbreiteten Rollenmodelle, die dazu auffordern, Energie und Begehren auf eine sexy Aufmachung zu konzentrieren, die ganz den Vorgaben der "Consumer-Industrie" gehorcht. Nicht zufällig taucht zu Beginn Tyra Banks, die US-Variante von Heidi Klum und ihrer Supermodel-Show, auf, mit der sich Hannah einen Slapstick-Kampf um Stöckelschuhe liefert. Und wenn Identifikationsfigur Miley sich mit Latzhose und Zöpfen als niedliches Landmädchen zurechtmacht, ist dies ein ebenso konformistisches Rollenspiel wie zuvor ihr barbiehafter Starauftritt mit blonder Perücke und Minirock.
Bedürfnisse und Eskapismus
Dass der Film das reale Leben der Sängerin Miley Cyrus (deren leiblicher Vater auch als Filmvater auftritt) zu imitieren scheint, steigert den Identifikationsreiz. Die vielschichtige Verflechtung von Fiktion

und Realität erhält sogar noch einen weiteren Dreh: Zu den drei Verständnisebenen – die filmischen Kunstfiguren Hannah Montana und Miley Stewart, der real existierende Star Miley Cyrus – gesellt sich eine vierte. Ein Mädchen, stellvertretend für die Fans im wirklichen Leben, beschwört Miley, ihre Hannah-Montana-Rolle weiterzuspielen, um nicht die Träume ihrer Verehrer/innen zu zerstören: Eine kitschige Fantasie wird als solche erkannt und eingefordert. So mag die entwaffnend charmante Darstellerin, die sich als Mädchen von nebenan gibt, aber zugleich das Bedürfnis nach Rampenlicht verkörpert, eine tiefe Sehnsucht Heranwachsender ausdrücken. Zu Beginn der Pubertät, auf der Suche nach dem eigenen Selbstbild und dem Platz in der Gesellschaft, kann das Geschehen sicherlich eine märchenhaft überglänzte Pufferzone zu kommenden Herausforderungen bieten. Authentische, emanzipatorische Angebote, den eigenen Weg zu finden, macht der Film allerdings nicht.
Autor/in: Birgit Roschy, Publizistin und Filmkritikerin, 16.05.2009
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