Anhand des Dokumentarfilms
Herr Wichmann aus der dritten Reihe sehen Schülerinnen und Schüler (ab Klassenstufe 9), wie Demokratie "gemacht" wird: Der bekannte deutsche Filmemacher Andreas Dresen beobachtet darin den Berufsalltag des Landtagsabgeordneten Henryk Wichmann und sein Bemühen, als Oppositionspolitiker bei den kleineren und größeren politischen Entscheidungen möglichst bürgernah zu agieren. Die
Dokumentation in Spielfilmlänge ist filmästhetisch am ehesten dem sogenannten
Direct Cinema zuzuordnen. Schülerinnen und Schüler lernen im Umgang damit, inwiefern ein Film, der "echt", also objektiv, wirkt, durchaus subjektiv, das heißt aus einer bestimmten Perspektive, erzählt wird. Sie werden dafür sensibilisiert, wie durch das Mittel der
Montage Ausschnitte der Wirklichkeit neu zusammengesetzt werden und so eine eigene Geschichte entsteht.
Herr Wichmann aus der dritten Reihe bietet sowohl inhaltlich als auch filmästhetisch Anknüpfungspunkte für den Schulunterricht, und zwar vor allem für die Fächer Deutsch, Politik, Sozialkunde, Geschichte und auch Biologie. Die Arbeitsvorschläge richten sich an Sekundar- und Oberstufenschüler/innen.
Fächer: Deutsch, Geschichte, Politik, Sozialkunde
"Herr Wichmann" ist eine öffentliche Person, über die du in verschiedenen Medien etwas erfahren kannst.
- Schaue dir den Wikipedia-Eintrag (http://de.wikipedia.org/wiki/Henryk_Wichmann) und die Webseite von Herrn Wichmann (http://www.henryk-wichmann.de) an. Wie wirkt die Person auf dich? Was erfährst du im jeweiligen Medium über ihn und seine Politik? Stelle Stichpunkte zusammen.
- Was erwartest du von einer Dokumentation über einen Politiker wie Herrn Wichmann? Was könnte für den Filmemacher reizvoll daran gewesen sein, zehn Jahre nach dem ersten Teil über den Jungpolitiker Herr Wichmann von der CDU nun einen zweiten Teil über Herrn Wichmann als Landtagsabgeordneten zu drehen?
- Besprecht nach der Filmsichtung eure ersten Eindrücke: Zeichnet der Filmemacher ein besonders positives, ein ausgewogenes oder ein eher negatives Bild des Politikers?
Fächer: Deutsch, Politik, Sozialkunde
- Beschreibe die Struktur dieses Dokumentarfilms: Welche Drehorte tauchen immer wieder auf? Gibt es eine Handlungsabfolge oder sind die Szenen willkürlich nacheinander gesetzt? Dominieren bestimmte Themen oder Beobachtungen? In welchem Verhältnis stehen Eingangs- und Schlussszene und welche Funktion haben sie?
- Erinnert euch an die Szene, in der Herr Wichmann eine Schulklasse besucht (Min. 00:10 – 00:14): Welche Schülerfragen beantwortet Herr Wichmann und welche Antworten wurden bei der Montage herausgeschnitten? Welche Wirkung hat das auf dich?
- Welche im Film nur angedeuteten Themen würdest du gerne weiterverfolgen oder vertiefen?
Fächer: Deutsch, Poltik, Sozialkunde
Im Gegensatz zu Fernsehdokumentationen und Reality-TV verzichtet der Film auf einen Kommentar aus dem Off und lässt nur den Gefilmten und sein Umfeld selber sprechen.
- Viele verschiedene Personen (Rentner/innen, Schüler/innen, Kaufleute) äußern sich negativ gegenüber Sozialhilfeempfängern/innen. Diskutiert mögliche Gründe, warum Sozialhilfeempfänger/innen nicht selbst zu Wort kommen, um ihre Perspektiven zu vertreten.
- In Herr Wichmann aus der dritten Reihe musst du die gezeigten Bilder selbstständig deuten und deine eigenen Schlüsse ziehen, anstatt von einem Kommentator geleitet zu werden. Was hat ein solches Verfahren mit Demokratie zu tun? Welche Aussagen oder Beobachtungen sind für dich bei diesem Film zentral?
- Schreibe selbst einen Kommentar zu dieser Filmsequenz, die eine Plenarsitzung zeigt.
Schaue dir die Szene dazu einige Male an und schreibe auf, wie die gezeigten Bilder (zum Beispiel Abgeordnete, die bei einer Rede nicht zuhören, sondern telefonieren) auf dich wirken. Lies deinen Kommentar vor, während du den Filmausschnitt ohne Ton abspielst. Wie unterscheiden sich deine Kommentare von denen deiner Mitschüler/innen zu derselben Szene?
Fächer: Deutsch, Geschichte
Als Spielarten des Dokumentarischen unterscheidet man (zum Beispiel nach Lipp, Thorolf: Spielarten des Dokumentarischen: Einführung in Geschichte und Theorie des Nonfiktionalen Films. Marburg 2012) unter anderem – neben dem nonverbalen
Dokumentarfilm, dem Documentary und dem
Cinéma Verité – das
Direct Cinema und den plotbasierten Dokumentarfilm.
- Entscheiden Sie anhand Ihrer Filmeindrücke und mit Hilfe des Interviews mit Andreas Dresen, welche der unten beschriebenen Merkmale auf Herr Wichmann aus der dritten Reihe zutreffen und begründen Sie, welcher Spielart des Dokumentarischen Sie den Film am ehesten zuordnen würden.
- Direct Cinema (zum Beispiel Neukölln Unlimited, Agostino Imondi, Dietmar Ratsch, Deutschland 2010):
- Der/die Filmemacher/in hält sich im Hintergrund.
- Personen, die in einem bestimmten Arbeitsbereich eingebunden sind, werden mit einer mobilen Kamera begleitet.
- Der/die Filmemacher/in hat kein Drehbuch, sondern arbeitet mit offenem Ergebnis und erhält auch widersprüchliche Einblicke.
- Am Ende schneidet der/die Filmemacher/in wichtige Szenen zusammen, sodass eine Geschichte oder eine Handlung entsteht.
- Es gibt kaum Filmmusik.
- Auf einen Kommentar durch einen Off-Sprecher wird verzichtet.
- Der/die Zuschauer/in hat sehr viel Deutungsspielraum, er/sie muss seine/ihre eigenen Schlussfolgerungen aus dem Gezeigten ziehen.
- Plotbasierter Dokumentarfilm (zum Beispiel Nanuk, der Eskimo, Robert Flaherty, USA 1921):
- Der Film will dem/r Zuschauer/in eine allgemeingültige Wahrheit zeigen.
- Der Film ist in Anfang, Mittelteil und Schlussteil gegliedert.
- Der/die Zuschauer/in erlebt wie im Drama eine Abfolge von Problemstellung – Konflikt – Krise – Lösung.
- Hauptfiguren werden emotional aufgeladen präsentiert, sodass sich der/die Zuschauer/in mit ihnen identifizieren kann.
- Der/die Filmemacher/in plant und filmt eine Handlung, die sich so in Wirklichkeit auch zugetragen haben könnte.
- Erläutern Sie, inwiefern sich eine Dokumentation wie Herr Wichmann aus der dritten Reihe von einer Reality-TV-Show unterscheidet.
Autor/in: Dr. Petra Anders war Lehrerin für Deutsch und Geschichte und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität im Bereich Deutschdidaktik mit dem Schwerpunkt Filmdidaktik, 27.08.2012
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