Der gebürtige Prager Petr Oukropec, Jahrgang 1975, hat vor 18 Jahren die Filmproduktionsfirma "Negativ s.r.o.", eine der führenden Filmproduktionsfirmen in Tschechien, gegründet. Der Kinderfilm
Der blaue Tiger (Modrý tygr, Tschechien, Deutschland, Slowakei 2012) ist seine erste Arbeit als Regisseur.
Herr Oukropec, warum haben Sie sich für ihren ersten Spielfilm die Geschichte vom blauen Tiger ausgesucht?
Ich habe lange nach einer geeigneten Vorlage für einen Kinderfilm gesucht. Ich wollte an die alten Filme der tschechischen Kinderfilmtradition anknüpfen und habe etwas gesucht, was sich in diese Tradition einfügt. Ich bin dann irgendwann über das Buch "Der blaue Tiger" von Tereza Horváthová gestolpert. Die Welt, die durch die Vorstellungskraft der Hauptfiguren entsteht, hat mir gefallen. Die vielen Zeichnungen hatten eine spezielle Atmosphäre und genau die wollte ich auf die Leinwand bringen.
Wie haben Sie diese spezielle Atmosphäre für die Leinwand adaptiert?
Wir hatten sehr schnell konkrete Vorstellungen von der visuellen Umsetzung. Wir wollten die klassische, handgemachte
Animation mit digitalen Post-Produktions-Effekten kombinieren, also verschiedene technische Ebenen miteinander verschmelzen lassen.
Wobei der Botanische Garten, dem Hauptort, an dem die Geschichte spielt, sehr real wirkt.
Wir haben lange nach einem Botanischen Garten gesucht, der unseren Vorstellungen entspricht. Nicht nur in Tschechien, sondern auch in anderen Ländern. Weil wir aber nichts Entsprechendes gefunden haben, haben wir das komplette Set mitten in Prag nachgebaut. So hatten wir unser eigenes kleines Paradies mitten in einer Großstadt. Genau wie in der Geschichte – eine schöne Parallele zum Film.
Die Titelfigur erlebt im Film eine visuelle Verwandlung. Wie haben Sie diese umgesetzt?
Der Tiger wird ganz langsam Teil der Geschichte. Am Anfang ist er nur ein Schatten, dann wird er ein animiertes Etwas. Erst gegen Ende ist er ein echter Tiger. Wir haben lange nach einer Umsetzung gesucht, in der wir nicht einfach nur ein Stofftier blau anmalen oder mit schlechten Effekten arbeiten.
Wie haben Sie diese Aufgabe letztendlich gelöst?
Wir haben auf die Geburt von zwei Tiger-Babys gewartet. Im Alter von drei bis vier Monaten sind sie noch sehr verspielt und nicht gefährlich. Wir haben die Tiere von Geburt an langsam an die Kinderschauspieler gewöhnt und versucht, dass sie eine Beziehung zueinander aufbauen. Die echten Tiere haben wir dann am Computer noch einmal bearbeitet, um sie magischer wirken zu lassen.
Wofür steht der blaue Tiger?
Für mich ist der Tiger ein Symbol für die Andersartigkeit. Tiger sind normalerweise nicht blau. Es gibt eine signifikante Analogie zwischen der Andersartigkeit von Johanna, der menschlichen Hauptfigur, und der Andersartigkeit des Tigers. Der Tiger ist ja nicht nur blau, er lebt auch in einer Umgebung, in die er offensichtlich nicht hinein gehört. Der Tiger gibt den Kindern den nötigen Spielraum, ihre eigene Vorstellungskraft anzutreiben.
Was ist die Botschaft des Films?
Wir Erwachsene haben für den Film einen blauen Tiger kreiert. Kinder können jedes Tier erschaffen, das sie wollen. Sie müssen es sich einfach nur vorstellen. Keiner wird es jemals fangen und wegsperren können. Der Tiger ist ein Symbol für Freiheit. Ein ausgeprägtes Freiheitsgefühl entwickelt sich schon im Kindesalter. Nämlich genau dann, wenn man zulässt, dass
alles um einen herum passieren kann. Diese Entdeckung ist für mich ganz stark mit der Kindheit verbunden. Die Welt mit den Augen eines blauen Tigers zu sehen.
Sie haben die tschechische Kinderfilmtradition angesprochen. Wer waren hier Ihre Vorbilder?
Ich habe viel von dem Drehbuchautoren Ota Hofman und dem Regisseur Jindřich Polák gelernt. Hofman hat zum Beispiel
Pan Tau und
Luzie, der Schrecken der Straße geschrieben – TV-Serien, mit denen auch deutsche Kinder groß geworden sind und die noch heute im Fernsehen laufen. Ihre Filme sind
bunt, atmosphärisch und fantasievoll. Diese Filme erzählen nicht nur irgendwelche Kindermärchen, sondern auch Geschichten für Erwachsene. Auf ihren Spuren wollte ich mit
Der blaue Tiger wandeln.