Kategorie: Filmbesprechung
"Gasoline Rainbow"
Lebensnahes Roadmovie über fünf Jugendliche aus einer Kleinstadt in Oregon, die einen Trip an den Pazifik unternehmen.
Unterrichtsfächer
Thema
Fünf Teenager sitzen in ihren Jugendzimmern und packen ihre Rucksäcke. Die Highschool-Zeit ist vorbei. Jetzt wollen sie ein letztes Abenteuer erleben, bevor das triste Erwachsenenleben auf sie wartet: Raus aus Wiley, einer öden Kleinstadt irgendwo in Oregon, auf in Richtung Pazifik. Eine Abfolge fotografierter Schulausweise stellt sie vor: Tony, Micah, Nichole, Nathaly und Makai kennen sich schon ewig und haben keine Bedenken, Wochen auf engstem Raum zusammen in einem alten Van zu verbringen. Sie wollen sich treiben lassen, offen sein für Orte abseits der Wege und zufällige Begegnungen. Ziel ist das Ende der Welt – oder zumindest eine Party an der Küste mit diesem Namen. Als sie ihren Wagen nach einer alkoholreichen Nacht in der Wüste ohne Reifen wiederfinden, gehen sie einfach zu Fuß weiter. Unterwegs treffen sie Punks, Trainhopper, Skater, vegane Metalheads und andere Außenseiter/-innen, die ihnen Lebenswelten nahebringen, die sie bisher nur von Social Media kannten.
Ein Roadtrip der Generation Z
"Gasoline Rainbow" ist ein zeitgenössisches Zum Inhalt: Roadmovie, ein On the road (Unterwegs, 1957) der Gen Z in den USA. Während Jack Kerouacs trendsetzender Roman oder die Kultfilme "Bonnie und Clyde" ("Bonnie and Clyde" , Arthur Penn, USA 1967) und "Easy Rider" (Dennis Hopper, USA 1969) stärker Einzelpersonen oder ein Paar fokussieren, steht hier die Gruppe als Organismus im Fokus. Sie erscheint sinnbildlich für diese Generation Jugendlicher, die wenig Wert auf Materielles legt und keine entsprechenden Sorgen zu haben scheint, gleichzeitig aber auch keine wirklichen Träume. "When there is nothing to do, you just venture. You‘re always trying to find something", sagt eine junge Frau, die sie in einem verlassenen Wüstenort aufgabeln. Es wird viel gekifft, gescherzt und gesungen, über persönliche Erlebnisse und tiefe Gefühle reden die Fünf jedoch kaum miteinander. Erst in flüchtigen Gesprächen mit Reisebekanntschaften erfahren die Zuschauenden etwas über ihre individuellen Probleme, die auf die großen Themen der US-amerikanischen Gesellschaft verweisen. So erzählt Nathaly einer Barbesitzerin beim Billard von der Abschiebung ihres Vaters nach Mexiko. Micah vertraut die Drogenprobleme seiner Eltern während einer illegalen Reise auf einem Güterzug einem Hobo an. Und Makai findet sich in einem Skater wieder, der als Schwarze Person das Gefühl der Nichtzugehörigkeit in der Kleinstadt nachvollziehen kann. Über den Film verteilt geben die Jugendlichen im Zum Inhalt: Voice-Over weitere Einblicke in ihre Reflexion der Reise und ihre Zukunftsvorstellungen.
Eine weitere Protagonistin ist die Landschaft, die die fünf Reisenden durchstreifen. Die Weite und Verlassenheit des US-amerikanischen Nordwestens zeigt sich ebenso in einer Zum Inhalt: Montagesequenz von Verkehrsschildern wie in Totalen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) leerer Straßen und Panoramen - in romantischen Sonnenuntergängen hinter Hügelketten, dem Columbia-River als Symbol der Freiheit und schließlich dem Pazifik als Sehnsuchtsbild.
Zwischen Realität und Fiktion
Die Kamera begleitet die Teenager aus unmittelbarer Nähe; wie eine Mitreisende hält sie beiläufige Gespräche und Momente fest. Zwischen Zum externen Inhalt: Fish-Eye (öffnet im neuen Tab)-Bilder der chaotischen Enge im Van mischen sich Handyaufnahmen und Polaroid-Fotos aus der Perspektive der Jugendlichen. So entsteht eine beinahe Zum Inhalt: dokumentarische Authentizität. In ihrem Film spielen die Regisseure Bill und Turner Ross, die auch für Kamera und Zum Inhalt: Montage verantwortlich waren, immer wieder mit der Grenze zwischen Realität und Fiktion. "Gasoline Rainbow" entstand tatsächlich während eines wochenlangen Roadtrips. Viele Zum Inhalt: Szenen entwickelten sich spontan vor Ort und sind improvisiert. Die Laiendarsteller/-innen, die im Film ihre wirklichen Namen tragen, prägen die Stimmung somit wesentlich. Dazu gehören besonders die lebensechten Dialoge im Jugendslang und die selbstgewählte diegetische Musik (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) aus Radio und Smartphone, die von 90er-Jahre-HipHop über die Beatles bis zu Disney-Musical-Hits reicht. Atmosphärische Filmmusik und eine Soundebene (Glossar: Zum Inhalt: Tongestaltung/Sound Design), die Alltagsgeräusche elektronisch verzerrt, unterstreichen den zeitgenössischen Vibe des Films.
Die ewige Sorglosigkeit – eine Utopie?
Dieser starke Bezug auf die tatsächliche Lebensrealität junger Menschen bricht sich mit dem etwas glatten Zum Inhalt: Plot des Films, in dem sich letztlich alle Probleme in Wohlgefallen auflösen. Weder das kaputte Fahrzeug noch Hunger oder fehlende Schlafplätze führen zu Konflikten innerhalb der Gruppe, nie verlieren die Jugendlichen ihre gute Laune und Unbekümmertheit. So entsteht der Eindruck einer auf realitätsnahe Weise erzählten utopischen Geschichte.
Zu Fuß, per Zug und Boot – dank glücklicher Umstände und hilfsbereiter Menschen erreicht die Clique schließlich das "Ende der Welt" und damit das Ziel ihrer Reise. Der Morgen nach der finalen Party beginnt neblig, das letzte Lagerfeuer glüht noch. Wie zu Beginn auf den Passbildern der Schulausweise schauen die Jugendlichen noch einmal einzeln und in Großaufnahme in die Kamera. Die Reise hat sie verändert, wohin werden sie nun jeweils weiterziehen? Die Begegnungen unterwegs haben ihnen die Vielfalt der Lebensentwürfe in den USA vor Augen geführt: dass jede Person irgendwo ihren Platz finden kann – sei es auf einer Halfpipe, einem Hausboot oder unterwegs auf einem Güterzug. Mit der Ermutigung, Neues zu wagen, sich auszuprobieren und eigene Wege zu gehen, entlässt der Film die Teenager - und mit ihnen die Zuschauenden - in die Zukunft.