Una sitzt auf einem Felsen am Rand ihrer Welt und schaut auf die letzten Lichtstrahlen, die auf den Wellen tanzen und langsam mit der Mitternachtssonne im Meer vor Island (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) versinken. Sie ist hier mit Diddi, der wie sie in Reykjavík Kunst studiert, und den sie liebt. Ein gemeinsames Selfie, dann gehen sie zu ihm nach Hause und malen sich ihre Zukunft aus: Reisen zu den Färöer-Inseln und nach Japan, vielleicht auch Kinder, irgendwann. Am Morgen wird Diddi zu seiner Jugendliebe Klara fahren, mit der er eine Fernbeziehung führt, und sich von ihr trennen. Es wird Zeit, denn Una hat es satt, ihre Liebe verstecken zu müssen. Sie und Diddi sind ein Paar und das sollen endlich alle sehen.

Doch Diddi kommt nie bei Klara an. Während Una ausschläft und einen scheinbar normalen Tag beginnt, gerät er in einen verheerenden Unfall. In dem Chaos, das in der Folge über das Land hereinbricht, kann sich Una zunächst noch an der herrschenden Ungewissheit festhalten. Zusammen mit Gunni, einem gemeinsamen engen Freund und Kommilitonen, sowie Diddis Freunden Bassi und Siggi wartet sie auf erlösende Nachrichten. Vergebens: Diddi ist unter den Todesopfern. Die schon aus der Schulzeit vertraute Clique trauert gemeinsam und findet Halt beieinander. Nur Una kann ihre wahren Gefühle nicht zeigen, weiß doch niemand von ihrer Liebesbeziehung mit Diddi. Als dann auch Klara anreist, ist die Situation für Una kaum noch auszuhalten.

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Das Licht bricht in konsequenter Ruhe

Der isländische Regisseur Rúnar Rúnarsson erzählt die berührende Geschichte von Verlust, Trauer und dem Weiterleben nach einer persönlichen Katastrophe mit konsequenter Ruhe, in langen, oft statischen Zum Inhalt: Einstellungen, die in scharfem Kontrast zu der Hektik und Konfusion der Geschehnisse und der Gefühlswelten seiner Figuren stehen. Blasse, verwaschen wirkende Farben (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung) entziehen vielen Bildern ihre Lebendigkeit. Zum Inhalt: Musik wird sehr sparsam eingesetzt, nur Schlüsselszenen wie die Darstellung des Unglücks sind durch ein wiederkehrendes, melancholisches Motiv unterlegt, das beinahe alle diegetischen Geräusche überdeckt, und sie damit fast traumhaft wirken lässt. Zum Inhalt: Plansequenzen markieren wiederholt erzählerische Wendepunkte. Es braucht nicht viele Worte, das Geschehen und die Gefühle vermitteln sich vor allem über die Bildebene. Die Kamera folgt dabei meist Una, der Protagonistin des Films. Ihr ausdrucksstarkes Gesicht fängt sie in Großaufnahmen und Naheinstellungen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) ein und zeigt so deutlich die Emotionen, die Una vor Diddis Clique zu verbergen versucht. Auch die Ton-Ebene bleibt oft auf sie konzentriert, dämpft die Geräusche des Außen und lässt ihren stockenden Atem hervortreten (Glossar: Zum Inhalt: Tongestaltung/Sound-Design).

Allein in der Gemeinschaft

Ihre wachsende Angst und Verzweiflung kann Una anfangs noch nicht einmal mit Gunni teilen, denn sie erfährt erst spät, dass Diddi ihn in ihr Geheimnis eingeweiht hat. Tatsächlich tröstet Una Gunni, der seine Gefühle offen auslebt, und hält ihre eigenen zurück, obwohl auch er ihr helfen will. Währenddessen erfährt Klara, offiziell noch Diddis Freundin, den Trost der Gruppe, den Una nicht einfordern kann. So bleibt Una, die ihre Vereinzelung bereits im Namen trägt, auf sich gestellt, obwohl sie mit der Clique Erinnerungen teilt und in Diddis Gedenken gemeinsam mit den anderen trinkt und tanzt. Nur im Rückzug von der Gruppe kann sie weinen. Ihre Welt, zuvor voller Möglichkeiten, schrumpft plötzlich in sich zusammen. Vom Außen abgeschnitten wird Una wiederholt durch Glaswände gezeigt, die den direkten Blick auf sie abgrenzen; im Spiegel eines öffentlichen Toilettenraums ist sie vielfach auf sich selbst zurückgeworfen. Von den Freunden trennt sie auch visuell die geschickt eingesetzte geringe Zum Inhalt: Tiefenschärfe.

Zusammenhalt in der Trauer

Im Laufe der Geschichte entsteht zwischen Una und Klara eine deutliche Anspannung.
Zugleich ist Klara jedoch diejenige, die Unas Verlust am besten nachvollziehen kann – und andersherum. Spiegelungen der zwei jungen Frauen betonen gleichzeitig ihre Distanz wie auch ihre Nähe. Als Una ihre Gefühle beim gemeinsamen Tanzen nicht mehr unterdrücken kann und sie weinend zusammenbricht, fangen Klara und die Gruppe sie auf. In dieser ehrlichen Begegnung beginnen die jungen Frauen stillschweigend sich zu verstehen. Gemeinsam beenden sie den Tag, wie der vorherige für Una und Diddi abschloss: am Strand, fern von der begrenzenden Architektur der Stadt im weichen Licht des Sonnenuntergangs, und zuletzt in Diddis Bett, wo sie einander mitfühlend in den Arm nehmen. Nur 24 Stunden sind vergangen und alles ist anders. Doch in der geteilten Trauer werden neue Perspektiven sichtbar. So plötzlich, wie sie sich verengt, kann sich die Welt auch wieder öffnen.

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