Der erste lange Kinodokumentarfilm der Journalistin Julia Oelkers begleitet eine außergewöhnliche Tournee der Band Strom & Wasser feat. The Refugees. Der politisch engagierte Liedermacher Heinz Ratz und seine Band Strom & Wasser sind ab Mai 2012 mit einer Gruppe von Musikern/innen aus Afrika, Russland, dem Balkan, dem Iran und Afghanistan durch ganz Deutschland getourt. Die internationalen Musiker/innen sind Asylbewerber/innen, die abends auf der Bühne stehen und morgens ins Heim zurückkehren müssen. Die Idee zu dem Projekt entstand 2011, als Ratz bei einer Fahrradtournee in 80 deutschen Städten Flüchtlingsunterkünfte besuchte, dabei exzellente Musiker/innen aus aller Welt kennenlernte und einige von ihnen nach Hamburg zu einer CD-Produktion einlud.
Der konventionell gestaltete Film mit Road-Movie-Charakter, der weitgehend durch Spenden und Crowd Funding finanziert wurde, kombiniert Konzertmitschnitte, Impressionen von den Tournee-Stationen, Besuche in Asylbewerberheimen und Statements der ausländischen Musiker/innen. Diese verarbeiten ihre belastenden Lebensbedingungen, Sehnsüchte und Träume auch in den Liedern, die sie auf der Bühne vortragen. Zum Teil nutzen die jungen Migranten/innen auch das Internet, um in selbstgedrehten You-Tube-Videos auf ihre prekäre Lage und traumatischen Erfahrungen hinzuweisen. Die kontrastive
Montage aus lebensfrohen Konzertmitschnitten und verregneten, tristen Szenerien in den Asylheimen betont das Wechselbad der Gefühle aus Hoffnung, Euphorie, Verzweiflung und Furcht vor der jederzeit möglichen Abschiebung. Besonders beklagen die Live-Musiker/innen das Arbeitsverbot und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit.
Im Musikunterricht liefert der Film reichlich Ansatzpunkte für eine Diskussion über die Frage, inwieweit eine gemeinsame musikalische Praxis von Interpreten/innen aus den Bereichen Popmusik, Reggae, Rap, Ska, Jazz, Percussion und Beatboxing auch zu einem besseren gegenseitigen kulturellen Verständnis führen kann. In den Fächern Sozialkunde/Gemeinschaftskunde und Politik können Arbeitsgruppen zentrale Aspekte des aktuellen Asylrechts erörtern: Warum müssen sich in Flüchtlingsheimen ganze Familien ein einziges Zimmer teilen? Aus welchen Gründen dürfen Asylbewerber/innen trotz fundierter Ausbildung hierzulande in der Regel nicht arbeiten? Warum müssen sie teilweise Jahrzehnte auf eine definitive Entscheidung über ihren Antrag warten? Warum wird die sogenannte Duldung oft nur kurzfristig verlängert? Ferner bietet es sich an, die Verleihung der Integrationsmedaille durch die Bundesregierung an Heinz Ratz kritisch zu beleuchten. Ist seine Hoffnung, dass "die Auszeichnung einen konkreten Abschiebeschutz für die involvierten Musiker bedeutet" berechtigt?
Autor/in: Reinhard Kleber, 13.08.2013
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