Claudio Crulic, ein rumänischer Gastarbeiter, wird zu Unrecht von der polnischen Justiz beschuldigt, einem prominenten Richter die Geldbörse gestohlen zu haben, und in Krakau inhaftiert. In zahlreichen Briefen an rumänische Politiker und die polnische Justiz erbittet der Angeklagte bessere Haftbedingungen und liefert Beweise für seine Unschuld. Doch seine Schreiben werden ignoriert. In seiner Verzweiflung tritt Crulic in den Hungerstreik. Viel zu spät beginnen die Gefängnisärzte mit der künstlichen Ernährung, bei der sie zu allem Überfluss die Lunge des Sterbenden mit einer Nadel verletzen. Den ersehnten Freispruch erlebt Cruclic nicht mehr.
Crulic - Weg ins Jenseits basiert auf einer wahren Begebenheit, die sich 2008 in Krakau ereignete. Anca Damian rollt den skandalösen Fall aus der Perspektive des bereits toten Helden auf, der die Geschehnisse ironisch aus dem Off rekapituliert. Die ungewöhnliche Kombination aus
Animationsfilm und Dokumentation besticht visuell mit kunstvollen Handzeichnungen, Kollagen und Stop-Motion-Techniken. Untermalt von einem emphatischen
Soundtrack, berühren vor allem jene Szenen, in denen der Protagonist von Einsamkeit und Verzweiflung überwältigt wird. Über die näheren Hintergründe der tragischen Geschichte, die in Polen großes Aufsehen erregte und unter anderem zum Rücktritt des damaligen rumänischen Außenministers Adrian Cioroianu führte, informiert der Film allerdings nur wenig.
Crulic - Weg ins Jenseits (Mouna Film)
Als ein Dokument über willkürlichen Freiheitsentzug und Misshandlung bietet
Crulic - Weg ins Jenseits in erster Linie Anknüpfungspunkte für ethische Fragen nach Verantwortung und Schuld von Justiz und Politik sowie der Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit im erweiterten Europa. Da die näheren Umstände im Film nicht tiefergehend erläutert werden, empfiehlt es sich, Presseberichte, Interviews und Kommentare zu dem Fall in die Analyse einzubeziehen. Eine Diskussion wert sind in diesem Kontext auch die politischen Konsequenzen nach Crulics Tod, die im Abspann kurz angeschnitten werden. Im Kunstunterricht eignet sich die außergewöhnliche Erzählweise des Films für eine Struktur- und Darstellungsanalyse und einen Vergleich mit anderen politisch motivierten Animationsfilmen wie
Alois Nebel (Tomáš Luňák, Deutschland, Tschechien 2011),
The Green Wave (Ali Samadi Ahadi, Deutschland 2010),
Waltz with Bashir (Ari Folman, Deutschland, Frankreich, Israel 2008) oder
Persepolis (Marjane Satrapi, Vincent Paronnaud, Frankreich, USA 2007).
Autor/in: Kirsten Liese, 15.01.2014
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