Milena geht in Warschau zur Schule. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, hat sie einen Weg gefunden, dem freudlosen Alltag zu entfliehen und an modernen Luxus heranzukommen: Sie bietet in Shoppingcentern älteren Männern sexuelle Dienste gegen Waren wie eine Jeans oder ein Handy an. In der Schule bewundern die meisten Milenas überlegene Ausstrahlung, auch die 14-jährige, unerfahrene Ala. Sie will Milenas Freundschaft und kopiert Stück für Stück deren Lebensstil. Als sich der Mitschüler Michael in Ala verliebt, muss sie auf tragische Weise erfahren, wie kostbar die erste Liebe ist.
Shopping Girls - Galerianki setzt auf Kontraste, um das Thema Jugend-Prostitution zu bebildern. Täglich lockt das Shopping-Center mit
grellbunten Konsumgütern und fröhlicher
Pop-Musik, es wirbt sogar mit dem Slogan "Du triffst wahre Freunde im Supermarkt". Im Gegensatz zu dieser Traumwelt wirken die Wohnungen der Mädchen ärmlich und beengt. Fast dokumentarisch wird der familiäre Alltag als lieblos und entbehrungsreich gezeigt, desillusionierte Lehrerkräfte halten sich an ihr Pflichtprogramm und geben keine pädagogische oder psychologische Hilfe. Auch das sexuelle "Tauschgeschäft" wird nicht beschönigt: Es findet meist auf Toiletten statt, rüde und kalt. Regisseurin Katarzyna Rosłaniec konstruiert ihr Jugenddrama auf didaktisch klaren Konflikten, die von authentisch agierenden Darsteller/innen getragen werden.
Die Prostitution Minderjähriger, sogenannter "galerianki", in Shopping-Centern ist in Polen – auch dank des Films – ein inzwischen erkanntes gesellschaftliches Problem. Milena hält sich jedoch nicht für eine Prostituierte. Da sie ihren Körper als ein Produkt begreift, tauscht sie ihn bedenkenlos bei "Sponsoren" gegen Luxusartikel ein. Die unerfahrene Ala übernimmt Milenas Ansichten. Verunsichert hinterfragt sie nicht nur den Tauschwert ihres Körpers, sondern auch den Gegenwert von Michaels Gefühlen.
Shopping Girls - Galerianki thematisiert die Schattenseiten einer von Konsum geprägten Gesellschaft sowie eine moralische Dekadenz, die besonders in Polen für Kontroversen sorgte. Ist dort Sexualität in katholisch-konservativen Kreisen nach wie vor eher tabuisiert, prangert die junge Regisseurin deren Kommerzialisierung an – ein Thema für Gesellschaftskunde sowie den Religions- und Ethikunterricht. Die Betrachtung etwaiger Paralellen in Deutschland liegt nahe, ebenso die Überprüfung des gezeigten Werteverfalls und die Frage, wie bedeutsam materielle Werte für Heranwachsende sind.
Autor/in: Cristina Moles Kaupp, 16.08.2011
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