Das deutsche Paar Pia und Tom will in Tanger traditionelle arabische Musik erkunden und sucht "auf den Spuren der Rolling Stones" Kontakt zu den legendären Jajouka-Musikern. In einer Bar lernen sie die Tänzerin Amira kennen. Pia ist beeindruckt von der jungen Frau, die offenbar ein selbstbestimmtes Leben jenseits traditioneller Rollenmuster führt. Aber auch Tom fühlt sich von der schönen Marokkanerin angezogen und verfällt zunehmend ihrem Charme. Was Pia und Tom nicht wissen: Amira lebt in einer Frauen-Wohngemeinschaft, deren Bewohnerinnen in der Grauzone zur Prostitution überleben. Amira sieht in Tom ihre große Chance auf ein Leben im Westen. Doch auch die beiden Deutschen verfolgen mit ihrer Beziehung zu Amira jeweils eigene Interessen.
Tanger als Sehnsuchtsort, als Zuflucht der Boheme – besonders Tom scheint diesem Mythos anzuhängen. Und so fängt die
bewegliche Handkamera das Exotische und Orientalische in farbenprächtigen Impressionen ein. Wie Fremdkörper wirken Pia und Tom, wenn sie sich durch die Stadt bewegen: Sie nehmen die Probleme der marokkanischen Gesellschaft nicht wahr. Selbst der Schmutz in einem Café wird von Tom romantisch verklärt. Einen Eindruck von der sozialen Realität vermitteln dagegen die Szenen in Amiras WG. Fast schon dokumentarisch zeigt Tangerine dann die Schwierigkeiten der allein stehenden Frauen, überwiegend Laiendarstellerinnen, sich in der islamischen Gesellschaft zu behaupten. Hier verliert der Film auch an
Farbigkeit. Geradezu nüchtern erzählt er von Amira und ihren Freundinnen und kontrastiert damit Pias und Toms Perspektive auf die Stadt.
Tangerine eignet sich besonders dazu, im Ethik-Unterricht unterschiedliche Konzepte von Freundschaft zu diskutieren, zumal im Film die Ökonomisierung von Beziehung verdeutlicht wird. Dabei zeigt sich, dass zwischen den Protagonisten/innen in vielerlei Hinsicht, so etwa in Bezug auf Geschlechterbeziehungen, andere Ideen vorherrschen. Insofern geht es in
Tangerine also auch um einen klassischen Clash der Kulturen und den daraus resultierenden Missverständnissen. Besonders für den Gemeinschafts- und Politikunterricht gibt der Filme interessante Einblicke zur Situation und Rolle der Frauen in Marokko, einem Land zwischen Tradition und Moderne. Hier ist vor allem Amiras Freundin Neshua interessant, die als alleinerziehende Mutter um die Zukunft ihrer Tochter kämpft.
Autor/in: Kirsten Taylor, 13.05.2009
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