"Der Helsinki Effekt"

Bildungsrelevant, weil das leidenschaftliche Plädoyer für oft zähe Diplomatie ein komplexes historisches Ereignis originell aufbereitet.

Die Geschichte: eine Ost-West-Konferenz mitten im Kalten Krieg

Die im Juli 1973 in Helsinki abgehaltene Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa stand ganz im Zeichen der Entspannungspolitik. Mitten im Kalten Krieg trafen sich 35 Staaten zur Verhandlung eines wegweisenden Abkommens. Vor allem die Sowjetunion drängte auf eine Festschreibung der seit dem Zweiten Weltkrieg geltenden Grenzen. Für die westlichen Länder standen Menschenrechte und Reiseerleichterungen im Vordergrund. Nicht zuletzt fand sich das politisch wenig prominente Finnland plötzlich im Mittelpunkt des Weltinteresses. Der in Helsinki aufgewachsene Regisseur Arthur Franck erinnert sich an den großen Medienrummel, den er als Kind erlebte, will aber auch die damaligen Ereignisse besser verstehen. Wer waren die Akteure? Was ist dran an der These, die Sowjetunion habe mit ihrem dortigen diplomatischen Triumph letztlich ihren Untergang besiegelt?

Filmische Umsetzung: Wie macht man ein "langweiliges" Thema interessant?

Zunächst jedoch steht der Filmemacher vor einem Problem: Wie soll aus einem solch "langweiligen" und "schwer verständlichen" Stoff ein Film werden? Die sich in einer Unmenge von Archivmaterial (Glossar: Zum Inhalt: Found Footage) wiederholenden Bilder von vorfahrenden Staatskarossen, in die Menge winkenden Politikern und stundenlangen Plenarsitzungen sind nicht sonderlich spannend. Im humorvollen Off-Kommentar (Glossar: Zum Inhalt: Voiceover) legt Franck sein Verfahren offen: Überraschend aufschlussreiche, lange geheime Protokolle und Telefonate der Staatenlenker werden nicht einfach verlesen, sondern durch Künstliche Intelligenz (KI) vertont. So spricht selbst KPdSU-Generalsekretär Leonid Breschnew plötzlich Englisch, während er mit dem US-Außenminister Henry Kissinger über Gewichtsprobleme scherzt. Gelegentlich nimmt sich Frank gar die Freiheit, "Henry" persönlich anzurufen – dieser antwortet mit Sätzen aus den geheimen Protokollen. In einer originellen Mischung aus politischer Information und unterhaltsamen Anekdoten wird das komplexe Thema lebendig.

Thema: politische Folgen der "Schlussakte von Helsinki"

Die erst nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichnete Schlussakte von Helsinki gilt heute als wichtiger Beitrag zum Ende des Kalten Kriegs. Insbesondere die Verbindung der Grenzpolitik mit Fragen der Menschenrechte erwies sich als folgenreich. Von der Selbstverpflichtung auch der Sowjetunion ermutigt, gründeten sich in mehreren Staaten des Warschauer Pakts oppositionelle "Helsinki-Gruppen" und trugen damit, nach Meinung vieler Historiker/-innen, zum Zerfall des Sowjet-Imperiums bei. Francks Film ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Diplomatie, deren positive Folgen sich oft erst spät zeigen – der "Helsinki-Effekt".

Fragen für ein Filmgespräch

• Welche politischen Interessen verfolgten die teilnehmenden Staaten in Helsinki? Was ist der "Helsinki-Effekt"?

• "Der Helsinki Effekt" lässt sich als dokumentarisches Histotainment beschreiben. Inwieweit empfindet ihr diesen Ansatz des Films legitim, gerade im Hinblick auf die KI-gestützte Tonspur?

• Die KSZE wurde 1995 in OSZE umbenannt. Als Rechtsnachfolger der UdSSR verpflichtete sich auch Russland deren Prinzipien. Recherchiert die heutige Rolle der OSZE, zum Beipsiel anlässlich des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, der im Film nicht thematisiert wird. Wie stehen die Konfliktparteien zu Menschenrechten oder der "Unverletzlichkeit der Grenzen"?