Distributionsform: DVD/Blu-ray; VoD Verfügbarkeit: Blu-Ray (Splendid, Criterion), DVD (Splendid), VoD (Prime Video, Apple TV, Sky Store) Regie: Ishirō Honda Drehbuch: Takeo Murata, Ishirō Honda Darsteller/innen: Akira Takarada, Momoko Kōchi, Akihiko Hirata, Takashi Shimura, Haruo Nakajima, Katsumi Tezuka u.a. Kamera: Masao Tamai Laufzeit: 96 min, Deutsche Fassung, OmU Format: 35mm, Schwarz-Weiß FSK: ab 12 J. Altersempfehlung: ab 12 J. Klassenstufen:ab 7. Klasse Themen:Trauma, Krieg/Kriegsfolgen, Filmgeschichte, Geschichte, Popkultur Unterrichtsfächer:Geschichte, Deutsch, Kunst, Ethik
Ein seltsames Leuchten im Japanischen Meer lockt die Besatzung eines Marineboots an die Reling. Im nächsten Moment zerlegt eine Explosion das Schiff. Doch das ist nur der Anfang: Immer mehr Boote verschwinden und mit ihnen die Fischbestände. Eines Nachts werden auf einer Insel mehrere Häuser zertrümmert. Als der Zoologe Professor Yamane vor Ort einen riesigen, radioaktiv verseuchten Fußabdruck entdeckt, besteht für ihn kein Zweifel: Wasserstoffbombentests im Ozean haben den Lebensraum eines Dinosauriers zerstört, der seit der Urzeit unter Wasser überlebt hat und jetzt an die Oberfläche drängt. Und tatsächlich: Immer öfter bricht eine gigantische Echse, "Godzilla" genannt, über Japan herein und hinterlässt Zerstörung und radioaktiven Niederschlag.
Auch wenn das titelgebende Monster im Mittelpunkt des japanischen Schwarz-Weiß-Klassikers steht – fast ebenso wichtig für die Handlung ist die junge Emiko, die das Bindeglied zwischen drei Männern und ihren unterschiedlichen Einstellungen zum Monster darstellt: Professor Yamane, ihr Vater, steht für den Schutz und die Erforschung Godzillas ein. Ogata, ihr Geliebter, spricht sich dagegen für die Vernichtung der Kreatur aus. Emikos eigentlicher Verlobter, der Kriegsveteran und Wissenschaftler Serizawa, macht wiederum eine Entdeckung, die Godzilla bezwingen könnte. Gleichzeitig fürchtet er die Konsequenzen einer weiteren Massenvernichtungswaffe für die Menschheit. Als Godzilla schließlich Tokio in Schutt und Asche legt, entschließt sich Serizawa, seine Entdeckung als Waffe gegen die Riesenechse zu nutzen und sich im gleichen Zuge zu opfern, damit sie nie wieder zum Einsatz kommt.
Schon mit der Anfangsszene von Godzilla wird die Kritik am Einsatz thermonuklearer Waffen gesetzt: Sie ist von einem realen Vorfall inspiriert, der sich wenige Monate zuvor ereignet hatte. Der radioaktive Niederschlag eines US-Kernwaffentests im Pazifik hatte das Fischerboot "Glücklicher Drache V" kontaminiert. Der Strahlentod eines Besatzungsmitglieds versetzte Japan in Aufruhr. Der gesamte Film kann darüber hinaus als Verhandlung der verdrängten Erinnerung Japans an den Zweiten Weltkrieg gedeutet werden: So evoziert Godzillas allesvernichtender "atomarer Strahl" die Zerstörungen durch die Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki 1945, während die Szenen vom brennenden Tokio Erinnerungen an die Wochenschauaufnahmen aus dem Krieg wecken, als in der Hauptstadt über 100.000 Menschen US-amerikanischen Bombenangriffen zum Opfer fielen. Vergleichbare Kinobilder wären unter der US-Besetzung Japans (bis 1952) nicht möglich gewesen, da Filme mit kriegerischer Handlung untersagt waren. Nach dieser Lesart symbolisieren die drei männlichen Figuren in Godzilla verschiedene Einstellungen zur vom Monster verkörperten traumatischen Kriegsvergangenheit: Professor Yamane glaubt, die Menschheit könne von Godzilla lernen und steht somit für Erinnerungskultur. Der junge Ogata dagegen deutet auf einen gewünschten Neuanfang der jüngeren Generation nach dem Krieg. Als Sinnbild für dessen Opfer ist Serizawas Vermächtnis am versöhnlichen Filmende ein Kompromiss zwischen dem hoffnungsvollen Blick in die Zukunft und einer Warnung vor den Fehlern der Vergangenheit.
Nach sensationellem Erfolg an den heimischen Kinokassen erhielt Godzilla als erster japanischer Film einen landesweiten Kinostart in den USA, wenn auch in einer stark umgeschnittenen Fassung, die nicht zuletzt die implizite US-Kritik entschärft. Trotzdem wurde Godzilla, King of the Monsters! zum internationalen Kassenschlager und ersten popkulturellen Exportprodukt aus Japan. Die Special Effects von Eiji Tsuburaya dürften entscheidend dazu beigetragen haben: Das über 90 Kilogramm schwere Godzilla-Kostüm – in dem die Darsteller Temperaturen bis zu 60 Grad aushalten mussten – ermöglichte es, mit größeren und entsprechend detailreicheren Miniatursets zu arbeiten, als bei den bis dahin üblichen Puppenanimationen. Die Kombination dieses Suitmation-Verfahrens mit Miniaturen, Stop-Motion, perspektivischen Tricks, Compositing und Matte Paintings begründete den Ruf japanischer Spezialeffekte und hat Regisseure wie George Lucas und Steven Spielberg beeinflusst. Schließlich wurde Godzilla sowohl Begründer des "Kaijū Eiga", des japanischen Monsterfilmgenres, als auch Ausgangspunkt für das bis heute am längsten laufende kontinuierliche Filmfranchise, mit 32 japanischen und vier Hollywood-Produktionen, sowie zwei weiteren Titeln in der Entstehung.
Autor/in: Dominique Ott-Despoix, Volontär im Filmbereich der Bundeszentrale für politische Bildung, 27.03.2023