Einführung
Empfohlen ab? – Möglichkeiten und Grenzen des Jugendmedienschutzes
Es war ein kleiner Skandal, den die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung unter der Überschrift Ab 12? Diese Filme gefährden Ihre Kinder in der Ausgabe vom 3. Oktober 2010 herauf beschworen hatte: "Wo 'FSK 12' draufsteht, ist oft brutale Gewalt drin. Oder Sex. Oder obszöne Sprache." So befanden die Redakteure/innen unter Federführung des Politik-Ressorts nach individueller Sichtung von 100 Filmen, die von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) ab 12 Jahren freigegeben wurden. Und sie stellten die Frage: "Warum entscheiden die Verantwortlichen so verantwortungslos?"
Altersfreigaben – keine Empfehlungen
Das Missverständnis, auf dem diese Anklage beruht, ist nicht neu. Denn die gesetzlich bindenden Altersfreigaben, die von der FSK ausgesprochen werden, sind keinesfalls gleichzusetzen mit pädagogischen Altersempfehlungen. Die Freigaben der FSK sollen sicherstellen, dass Filminhalte und ihre Darstellungen die Persönlichkeitsentwicklung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen nicht beeinträchtigen. Eine Altersempfehlung hingegen reflektiert, ab welchem Alter ein Film tatsächlich den Lebens- und Medienerfahrungen eines Kindes oder Jugendlichen entspricht. Sie gibt an, ab wann der Film verstanden und verarbeitet werden kann und ob er sozusagen "auf Augenhöhe" an Erfahrungen und Interessen, aber auch Ängste und Sorgen von Heranwachsenden anknüpft.
Freigegebene und kindgerechte Filme
Dennoch: Die Bewertungen der F.A.S.-Redaktion haben vorhandene Unsicherheiten vieler Eltern und Lehrer/innen zum Ausdruck gebracht, wenn es um die Auswahl eines geeigneten Kinofilms für ihre Kinder oder Schüler/innen geht. Dieses Dossier nimmt daher die stetig wiederkehrende Debatte zum Anlass, um die Bedeutung des Jugendmedienschutzes, seine Absichten und Arbeitsweisen, seine Chancen und Grenzen darzustellen. Die Medienpädagogin Katrin Miller beschreibt in ihrem Überblicksartikel Jugendmedienschutz und Altersfreigaben Institutionen des Jugendmedienschutzes, stellt Freigabeentscheidungen und Bewertungskriterien vor, verweist auf Fälle, die zu einer öffentlichen Diskussion geführt haben, und informiert über die Bedeutung ergänzender Altersempfehlungen in diesem Zusammenhang. Die entwicklungspsychologische Sicht auf den Jugendmedienschutz, Altersfreigaben, pädagogische Altersempfehlungen sowie den Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen stehen im Mittelpunkt des Interviews mit Prof. Dr. med. Karla Misek-Schneider vom Institut für Kindheit, Jugend, Familie und Erwachsene (KJFE) der Fachhochschule Köln. Ein Servicetext weist abschließend auf Informationen rund um den Jugendmedienschutz hin und führt Institutionen und Publikationen auf, die – ergänzend zu den gesetzlichen Freigaben der Selbstkontrolleinrichtungen – pädagogisch fundierte Altersempfehlungen aussprechen, um Eltern, Lehrkräften, aber auch Kindern und Jugendlichen eine Orientierungshilfe zu geben. Die Empfehlungen von VISION KINO – Netzwerk für Film- und Medienkompetenz, der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, kinofenster.de wie auch von anderen Einrichtungen sind nicht an starre Altersfreigabekategorien gebunden. Vielmehr gehen sie differenziert auf die geistige und emotionale Entwicklung sowie die Sozial- und Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen ein. Gerade diese Einschätzung ist für die filmpädagogische Arbeit zum Beispiel im Rahmen des Unterrichts von Bedeutung, um Schüler/innen weder zu unter- noch zu überfordern.
Autor/in: Stefan Stiletto, Medienpädagoge und Filmpublizist, 10.03.2011
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